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Interviews

GOOD TO KNOW ÜBER RÄUMLICHE WISSENSVERMITTLUNG

POSTED 16.04.2020
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„Der Raum als Ort, in dem wir uns alle bewegen, sollte ein Nährboden des Wissens sein, an dem sich alle bereichern können, um eine freie und gerechte Welt zu gestalten.“

 

Kristine Fester und Patrizia Widritzki waren als Kreativ-Direktorinnen feste Mitglieder der Geschäftsleitung der Kölner Agentur facts and fiction bzw. krafthaus – Das Atelier von facts and fiction. Sie gestalteten und prägten große Ausstellungen wie etwa für das Berliner Humboldt Forum, das Goethe-Institut oder die DBU – Deutsche Bundesstiftung Umwelt. 2019 beschlossen sie, sich selbständig zu machen und gründeten good to know. Dabei ist es Ihr gemeinsames Ziel, „die Welt weniger dumm (dafür fair) zu gestalten“. Denn ihrer Meinung nach öffnet „Wissen Horizonte und ermöglicht ein vorurteilsfreies, scheuklappenbefreites und besseres Zusammenleben. Der Raum als Ort, in dem wir uns alle bewegen, soll ein Nährboden des Wissens sein, an dem sich alle bereichern können, um eine freie und gerechte Welt zu formen.“ Mit uns sprachen die beiden Designerinnen darüber, wie ihnen dies gelingen kann und vor allem, wie sie diesen Anspruch in ihren Projekten umsetzen.

 

Die Fragen stellte Janina Poesch.

 

Kristine Fester und Patrizia Widritzki, wie kann die Welt zu einem schlaueren Ort werden?

Indem wir vorhandenes Wissen teilen und uns austauschen – Stichwort „Open Knowledge“. Denn Wissen eröffnet Horizonte und ermöglicht ein vorurteilsfreies, scheuklappenbefreites und besseres Zusammenleben. Es gilt, zu hinterfragen und neugierig zu bleiben!

 

Und wie lässt sich Eurer Meinung nach Wissensvermittlung verräumlichen?

Der Raum als Ort, in dem wir uns alle bewegen, sollte ein Nährboden des Wissens sein, an dem sich alle bereichern können, um eine freie und gerechte Welt zu gestalten. Hier spielt vor allem Partizipation eine große Rolle. Nutzer wollen sich nicht nur Wissen aneignen, sie wollen auch ihre Meinung und ihr eigenes Wissen weitergeben. Communities gestalten Ausstellungen mit und machen sie so zu authentischen Momenten, die Gestalter vor Herausforderungen einer neuen Art stellen. Gleichzeitig ergeben sich dadurch Chancen, das Vermitteln von Wissen neu zu sehen und zu inszenieren.

 

Gerade habt Ihr im Museum für Kommunikation Frankfurt Eure erste Ausstellung unter Eurem gemeinsamen Namen fertiggestellt: #neuland – Ich, wir & die Digitalisierung. Aufgrund der COVID-19-Pandemie musste die Eröffnung im März 2020 jedoch erst mal ausfallen und Ihr konntet Euch nur per WhatsApp beglückwünschen. Wie fühlte sich das an?

Das war schon seltsam: Wir haben uns natürlich gefreut, dass es mit einem Live-Video losging, waren aber auch traurig, dass wir nicht alle zusammen vor Ort sein konnten. Über einen Chat haben wir uns dann allerdings doch noch zusammengeschlossen und nach und nach hatten alle ein Glas zum Anstoßen in der Hand, haben Fotos geschickt und waren sehr stolz auf die geleistete Arbeit der letzten Monate. Das gemeinsame Feiern werden wir aber definitiv noch nachholen …

 

Das Museum hat zusammen mit der Nemetschek Stiftung schnell reagiert und ein paar spannende digitale Formate auf den Weg gebracht. Was haltet Ihr von der Erweiterung in den digitalen Raum und würden diese Formate auch weiterhin für Eure Ausstellungskonzeptionen in Frage kommen?

Wir denken, dass eine Erweiterung in den digitalen Raum absolut bereichernd sein kann, wenn sie passt und Sinn ergibt. Die momentane Krise fordert viele Menschen auch kreativ heraus, und sicherlich werden wir auch in Zukunft davon profitieren, wenn wir uns jetzt neue Wege der Vermittlung erschließen. Eine Ausstellung und deren Inhalte auch im digitalen Raum, für noch mehr Menschen auf der Welt verfügbar zu machen, vielleicht dabei neue Tools zu nutzen, die Barrierefreiheit voll auszuschöpfen – das ist doch großartig! Wenn das Ganze noch mit partizipativen Momenten verbunden ist und sich die Besucher an Inhalten, Meinungen und Formaten beteiligen können, dann ist das doch genau das, was wir als demokratische und politische Gesellschaft verstehen und erreichen wollen, oder?

 

Denkt Ihr, dass die COVID-19-Pandemie Eure Arbeit auch in Zukunft beeinflussen wird? Was bleibt und was sollte sich ändern?

Wir glauben, dass sich die Einstellungen zu Geschäftsreisen ändern wird: Vor kurzem wurden wir teilweise noch schräg angeguckt, wenn wir mit dem Zug von Köln nach Berlin gefahren sind anstatt zu fliegen. Jetzt werden wir uns öfter fragen, ob wir uns nicht sowieso effektiver „digital“ zusammenschließen und die persönlichen Treffen vor Ort reduziert und dafür anders gewichtet und geplant werden können. Außerdem denken wir, dass auch viele Agenturen, bei denen Home-Office bisher keine Rolle spielte, nun nicht einfach so zurückkönnen (oder sogar wollen). Wir werden also öfter ein dezentrales Zusammenarbeiten mit einer höheren Wertschätzung für persönliche Treffen vorfinden. Außerdem wird das Online-Angebot beispielsweise zu Ausstellungen mehr Aufmerksamkeit bekommen: Hier werden in Zukunft sicher schlaue Konzepte gefragt sein und neue Formate entwickelt werden, die den realen und den virtuellen Raum stärker verbinden. Das wird spannend! Und für uns alle wird sich hoffentlich ändern, dass wir die Chance für einen breiten Neustart nutzen, anstatt das bestehende System einfach wieder hochzufahren!

 

Mit der Ausstellung habt Ihr aber auch noch auf einer anderen Ebene Neuland betreten: Das war der erste Auftrag, den Ihr nach HOAS (Honorarordnung für Ausstellungsgestaltung) angeboten habt – quasi ein „HOAS-Pilotprojekt“. Welche Erfahrungen habt Ihr hier gemacht?

Sehr positive! Es war zwar gewagt, ungefragt eine neue Honorarordnung anzubieten, aber unsere Auftraggeber haben sich zum Glück darauf eingelassen. Bisher waren ja beide Seiten mit dem Passus „angelehnt an HOAI“ unzufrieden und in der HOAS sind die gestalterischen und konzeptionellen Aufgaben klarer erfasst, was es auch für die Kunden transparenter macht. Und die hatten sogar großes Interesse daran, eine Vorreiterrolle einzunehmen und das erste Projekt in der Museumslandschaft zu sein, dass nach HOAS beauftragt.

 

Abschließend noch eine persönliche Frage: Welches Wissen wollt Ihr als nächstes vermitteln?

Uh! Das ist so eine Frage, bei der ich mich festlegen muss, oder? Also ich (Patrizia) setze mich sehr mit der Frage auseinander, in was für einer Gesellschaft ich oder wir leben wollen. Das betrifft Themen wie Potenzialentfaltung im Kontext von Mindset oder Haltung, und auch die Frage danach, was denn „normal“ ist. Ich weiß, ein sehr weites Feld … Und bei mir (Kristine) ist es eher das Thema, die Selbstzerstörung der Menschheit durch die Vernichtung unserer Lebensgrundlage aufzuhalten. Das hat einerseits mit fehlendem Wissen um Zusammenhänge zu tun und andererseits mit der Verweigerung von Veränderung. Daraus ließen sich unzählige Ausstellungsthemen ableiten. Und obwohl die Tatsache „Wir werden alle sterben!“ nach wie vor einer meiner Lieblingsausstellungstitel wäre, könnten sich hier auch sehr viele optimistische und sogar lustige Ansätze finden lassen …

 

Kristine Fester und Patrizia Widritzki, vielen Dank für das spannende Gespräch – good to know you!

 

Zu den Personen

Kristine Fester und Patrizia Widritzki begannen ihre Laufbahn ähnlich: Kristine Fester studierte Design in Köln und Patrizia Widritzki Visuelle Kommunikation in Düsseldorf. Während Patrizia ihre Tätigkeit schon bei facts and fiction begann, absolvierte Kristine noch ein Volontariat beim WDR und war danach Art-Direktorin in der Post Produktion tsunami GmbH. Bei der Kölner Agentur krafthaus – Das Atelier von facts and fiction lernten sie sich schließlich kennen und konzipierten bzw. gestalteten unter anderem als Mitglieder der Geschäftsleitung zehn Jahre lang gemeinsam Ausstellungsprojekte. 2019 machten sie sich mit good to know selbständig und sind fest davon überzeugt, dass räumliche Wissensvermittlung die eigenen Gedankenräume erweitern und die eigenen Taten positiv beeinflussen kann.

FACTS

Kontakt:

good to know, Köln (DE) > www.goodtoknow.us