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Interviews

ANGELA KETTLER-BOTT ÜBER SCHLOSS DYCK UND INTERDISZIPLINÄRES ARBEITEN

POSTED 18.10.2019
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„Eine Welt ohne die digitale Komponente ist heutzutage schier undenkbar und doch ist der Charme des Analogen kaum zu übertreffen.“

 

Unter guter Gestaltung versteht die Designerin Angela Kettler-Bott, ganzheitliche Markenerlebnisse zu schaffen und damit einen Beitrag zum (Unternehmens-)Erfolg ihrer Auftraggeber zu leisten. Als Gründerin von R211 steuert sie dabei mit großer Leidenschaft für Kommunikation ein interdisziplinäres Team und betreut Projekte im Bereich Corporate Design, Printdesign, mobilem Webdesign sowie Kommunikation im Raum sowohl für kleine als auch große Marken – wobei der projektbezogene Zusammenschluss in Arbeitsgruppen für R211 die beste Medizin gegen Betriebsblindheit, Scheuklappendenken und eingefahrene Wege ist. Mit uns sprach Angela Kettler-Bott über eines ihrer neuesten Projekte, bei dem das interdisziplinäre Arbeiten absolut im Mittelpunkt stand: die Erweiterung der Dauerausstellung „Landschaft“ im Jüchener Schloss Dyck.


Die Fragen stellte Sandra Gawlowski.

 

Angela Kettler-Bott, Sie haben gerade die Erweiterung der Dauerausstellung „Landschaft“ im Schloss Dyck abgeschlossen. Um was geht es bei diesem Projekt und wie kam es dazu?

„Landschaft“ widmet sich der Entwicklung des Dycker Parks unter der Ägide des Fürsten Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1773–1861), der erste Fürst der Linie Salm-Reifferscheidt-Dyck. Der leidenschaftliche Botaniker ließ mithilfe des Gartenarchitekten Thomas Blaikie (1751–1838) ab 1819 in Jüchen eine Parkanlage im Stile eines englischen Landschaftsgartens anlegen, in dem er seine Pflanzensammlung systematisch unterbrachte. Neben der Neukonzeption des Ausstellungsraums „Der Schlosspark unter Fürst Joseph“ wurden dabei weitere Teile der 1.100 Quadratmeter großen Ausstellung rund um die Entstehungsgeschichte des Dycker Parks thematisiert. Dabei stammt die ursprüngliche Ausstellung aus dem Jahr 2003 und wurde vom Stuttgarter ATELIER BRÜCKNER entwickelt. Ich selbst war vor 15 Jahren als Mitarbeiterin stark in das Projekt eingebunden und habe damals bei der Konzeption mitgewirkt sowie die Umsetzung betreut. Nun war es an der Zeit, einige kleinere Aktualisierungen vorzunehmen und im Zuge dessen auch einen Raum komplett neu zu gestalten. Dabei lag das Bestreben von Anfang an darin, die Exponate auf die Dycker Parkanlage und ihre Protagonisten auszurichten: allen voran auf den Fürsten Joseph, den Gartenarchitekten Blaikie sowie die Fürstin Constance zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1767–1845), Dichterin, Schriftstellerin und spätere Fürstin. Aber auch die Arbeit der Stiftung stand im Fokus, die unermüdlich weiter an der Vision des Parks und des Schlosses festhält, um das kulturelle Erbe zu erhalten.

 

Wurde die Dauerausstellung dabei auch inhaltlich neu ausgerichtet?

Ein wenig, denn die Ausstellung war bisher allgemeiner angelegt. So wurde etwa bei der Definition und Heranführung an das Thema des englischen Landschaftsgartens unter anderem Hermann Ludwig Heinrich Graf von Pückler-Muskau (1785–1871) herangezogen, anstatt dies konkret anhand der Dycker Parkanlage zu tun. Dieser direkte Bezug wird nun über die Entwicklung und Veränderungen von Schloss Dyck erlebbar gemacht, in dem sich die Schau eben den Protagonisten um Fürst Joseph über mehrere Generationen bis zur heutigen Arbeit der Stiftung widmet.

 

Wie genau sind Sie bei diesem Projekt vorgegangen? Wie gestaltete sich Ihre Arbeitsweise?

Am Anfang unserer Arbeit mussten alle historischen Inhalte bestmöglich erfasst werden: Hierfür forschte der Kulturhistoriker und Ausstellungskurator Martin Wolthaus teilweise bis nach Frankreich nach Unterlagen in Archiven und machte sich wie ein Detektiv akribisch auf Spurensuche, brachte Bilder, Dokumente und historische Entwicklungslinien zusammen. Im nächsten Schritt wurden dann Ideen entwickelt, kritisch beäugt und selektiert, bevor die fokussierte und gemeinsame Entwicklung an handfesten Lösungsansätzen begann. So ergab sich ein zielgerichteter kreativer Prozess, in dessen Verlauf wir von Zwischenergebnissen zur letztendlichen stimmigen Gesamtlösung gekommen sind. Dabei bestand die besondere Herausforderung bei diesem Projekt darin, die vorhandene Ausstellung sensibel zu erweitern ohne die bestehende Form lediglich zu kopieren. Zudem braucht es bei der Konzeption einer Ausstellung Lösungen, die nicht nur auf der inhaltlichen Ebene fest im Sattel sitzen, sondern vor allem visuell zur verständlichen Vermittlung komplexer Vorgänge beitragen – textlastige Erläuterungen sind hier fehl am Platz …

 

Sie selbst sagen, sie schätzen das interdisziplinäre Arbeiten sehr, da es das Team vor Betriebsblindheit schützt. Wie genau können wir uns das in diesem Fall vorstellen?

Gerade die gute Zusammenarbeit mit Herrn Wolthaus war sehr befruchtend und wir haben uns gefreut, dass wir ihm als kunsthistorischem Fachmann mit unserer gestalterischen und wahrnehmungspsychologischen Expertise eine Hilfe sein konnten. Kommunikation, Zeitplanung, Absprachen und konstruktive Prozesse waren stets fokussiert und ressourcenorientiert und dabei trotzdem sehr kreativ und uneitel. Wichtig ist uns eine gute Kommunikation innerhalb des Teams, die sich nicht nur auf einen klaren und verständlichen Austausch von Informationen und Ideen, sondern auch auf eventuelle finanzielle oder zeitliche Beschränkungen bei der Entwicklung von Lösungen erstreckt. Wenn sich aus dieser Kommunikation kreatives Potential entfaltet, sind alle glücklich und wir können gemeinsam auf das Ergebnis sehr stolz sein.

 

Welche gestalterischen Mittel kamen bei der Erweiterung der Dauerausstellung explizit zum Einsatz?

Vor allem Reduktion und Fokussierung – technisch einfach umsetzbar und sensorisch individuell auf jedes Sujet abgestimmt. Denn die sehr ins Detail gehenden Themen mussten gut dosiert, entdeckungsreich und möglichst mit allen Sinnen für die Besucher erlebbar gemacht werden. Zudem haben wir uns visuell an dem in der Ausstellung verwendeten grafischen Stil orientiert und diesen mit einer modernen Umsetzung für die Erklärungen ergänzt. Auch die räumliche Komponente floss in unsere Arbeit: Thematisch haben wir versucht, Erklärebenen und historische Ebenen physisch voneinander zu trennen – wie zum Beispiel bei der Vitrine „Hortus Dyckensis“ oder im Eckzimmer, bei dem die Abbildung der historischen Dycker Landkarte als Tapete fungierte und die Erklärebene mit Klappen-Exponaten umgesetzt wurde.

 

Wie kam es zu dem Raumbild im Eckzimmer?

Im Eckzimmer geht es im Kern um die Gestaltung bzw. die gestalterischen Veränderungen der Dycker Parkanlage – wobei der Gartenarchitekt Thomas Blaikie, dessen wichtige Rolle auch zu Beginn der Ausstellung durch einen großen begehbaren Plan untermauert wird, immer wieder Bezugspunkt ist. Aber auch andere Gestalter haben über die Jahrhunderte hinweg hier ihre Spuren hinterlassen und der Park wurde immer wieder neu genutzt, geformt oder interpretiert. Martin Wolthaus Recherchen brachten bisher nicht ausgewertete historische Pläne und Zeichnungen zum Vorschein, die wir nun integrieren konnten, um diese Veränderungen im direkten Vergleich mit Blaikies ursprünglichem Plan sichtbar zu machen. Dabei war uns von Anfang klar, dass es keinen Sinn ergeben würde, viele kleine Pläne nebeneinander auszulegen: Viel zu gering ist das Interesse der Besucher sich derart intensiv mit Kartenmaterial zu beschäftigen. Unsere Aufgabe lag also darin, den Besuchern möglichst einfach diese Veränderungen näherzubringen und sie die Begeisterung und Leidenschaft spüren zu lassen, mit der die Planer immer wieder neue bzw. seltene exotische Pflanzen importierten und sie in die Parklandschaft integrierten. Als große Geste wurde daher der frisch entdeckte Plan überdimensional groß über die kompletten Wände des Raums gezogen – wobei der feine Druck auf die eierschalenfarbene Tapete im Team einiges Kopfzerbrechen verursachte. Es klingt so einfach: auf Tapete drucken, in Bahnen teilen und vor Ort tapezieren! Das war es allerdings nicht, denn die Gebäude gehen im Wesentlichen auf den Stand nach den Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) zurück und die Wände können dann schon mal sowohl in der Breite oben und unten stark variieren als auch bizarre konkave oder konvexe Formen innehaben. Zudem passierte es immer wieder, dass wir auf granitähnliches Grundmauerwerk stießen, andere Wände aber weich wie Butter waren. So waren mehrere Treffen aller Beteiligten notwendig, um diese knifflige Aufgabe zu lösen. Wir haben es aber zum Glück geschafft …

 

Was war Ihr persönliches Anliegen bei der Gestaltung dieses Projekts und welcher Aspekt der Ausstellung gefällt Ihnen am besten?

Ich kann mit Gewissheit sagen, dass wir von Anfang an eine wirkungsvolle Inszenierung im historischen Raum intendierten. Persönlich gefällt mir dabei am meisten der Charme des Analogen. Keine Frage: Vieles ist heute in Museen digital viel besser umsetzbar bzw. zu vermitteln. Dennoch bestimmte bei diesem Projekt der Inhalt die Form der Informationsübermittlung bzw. der Kommunikation – und das ist großartig. Denn sicher hätte ein Touch-Screen nicht diese beeindruckende Wirkung des Eckzimmers erzielt, welche die Besucher beim Eintreten in den Raum erleben.

 

Und zu guter Letzt noch eine grundsätzliche Frage: Ist die Arbeit für eine staatliche Kulturinstitution eher Fluch oder Segen?

Wenn wir für Stiftungen oder für öffentliche Einrichtungen arbeiten, sind wir oft mangels üppiger Budgets dazu gezwungen, mit einfachen, aber wirkungsvollen Gestaltungslösungen zu überzeugen. Dabei erachte ich diese Ausgangslage gar nicht als diffizil, sondern vielmehr als Möglichkeit der kreativen Entfaltung: Sie zwingt uns Gestalter dazu, die Dinge herunterzubrechen und die Essenz auf direktem Weg in die Köpfe der Besucher zu befördern. Genau dieser gedankliche Ansatz ist die Basis meiner Arbeitsweise.

 

Angela Kettler-Bott, vielen Dank für das ausführliche Gespräch!


Zur Person

Angela Kettler-Bott, Jahrgang 1976, studierte von 1997 bis 2001 Visuelle Kommunikation an der Hochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd und war anschließend bei renommierten Agenturen als Art- und Kreativ-Direktorin tätig – unter anderem beim Stuttgarter ATELIER BRÜCKNER sowie der Neusser D’art Design Gruppe. 2012 gründete sie R211 – Agentur für Kommunikation in Düsseldorf und arbeitet hier stets mit einem interdisziplinären Expertennetzwerk, das sie für jede Aufgabe individuell zusammensetzt, um Projekte jeder Größenordnung markengerecht zu inszenieren.

FACTS

Kontakt:

R211 – Agentur für Kommunikation, Düsseldorf (DE) > www.r211-agentur.de