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Film- & Bühnenarchitektur

Bauhaus in New York | Eine Hommage an Oskar Schlemmer

POSTED 22.03.2013
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Was dabei herauskommt, wenn sich ein amerikanischer Modedesigner mit der Kunst und den Künstlern der Bauhaus-Ära auseinandersetzt, zeigt Thom Browne eindrucksvoll bei der Präsentation seiner Frühjahr/Sommer-Kollektion 2013 während der New York Fashion Week. Nämlich ein ganz und gar hypnotisches Erlebnis, das mehr an ein Bühnenstück als an eine klassische Modenschau erinnert.

 

von Sabine Marinescu

 

Hinter den Absperrungen im Edna-Barnes-Solomon-Saal der New York Public Library drängen sich nervös die Gäste und sind gespannt, was sie bei dieser Modenschau erwartet. Denn schon der erste räumliche Eindruck gibt so manchem ein Rätsel auf: Gewellte Spiegel wie aus einem Jahrmarkt-Kabinett prägen die Rückwand und auf dem Boden liegen kreisrunde Scheiben, die an schwarz-weiße Spiral-Windräder erinnern. Plötzlich erklingen ungewohnte Töne. Zehn männliche Modelle in scheinbar zu kurz geratenen Seersucker-Anzügen und mit silbernen, ballonförmigen Kopfbedeckungen treten in den Raum und spielen für einige Minuten auf Xylophonen. Nur langsam verlassen sie ihre Position und weichen einer Gruppe Tänzerinnen mit ebensolchen Hauben und in glockenförmigen Kleidern. Fasziniert sieht das Publikum die Damen eine nach der anderen tanzend ihre Position vor den Spiegeln einnehmen. Und kunstbeflissene Zuschauer werden sich hier bereits fragen, ob sie tatsächlich der Präsentation von Thom Brownes Damenkollektion beiwohnen oder ob es sich um die Wiederaufnahme des „Triadischen Balletts“ handelt.
Und tatsächlich: Nicht nur das Publikum erkennt die Ähnlichkeiten, auch der Designer nennt den deutschen Bauhaus-Künstler Oskar Schlemmer (1888-1943) und sein Ballettstück als maßgebliche Inspirationsquelle. Thom Browne übernahm die geometrischen Formen der Kostüme und Kulissen ebenso wie die Festigkeit der Stoffe und die roboterhaften Bewegungsabläufe der ursprünglichen Inszenierung. Schlemmer, Maler, Bildhauer und Bühnenbildner, erarbeitete das experimentelle Ballett – bestehend aus Raumtanz, Formentanz und Gestentanz – ab 1919 und brachte es 1922 zur Uraufführung im Stuttgarter Opernhaus. Grund für seine Auseinandersetzung mit Tanz als Darstellungsform war seine Vorstellung, dass plastische Arbeiten Bewegungen lediglich fixieren und sie damit statisch erscheinen lassen. Beim Tanz jedoch wird die korrespondierende Beziehung zwischen Figur und Raum sichtbar.

So auch bei Thom Brownes Balletttänzerinnen: Sie nehmen ihre Position im Raum ein, drehen immer und immer wieder ihre Pirouetten, reflektieren sich auf surreale Weise in den Spiegeln und kommunizieren so mit den räumlichen Gegebenheiten. Schließlich erscheinen die lang ersehnten Mannequins. Doch sie schreiten nicht – wie sonst üblich – leichtfüßig und ein wenig provokant über den Laufsteg, ihre Bewegungen fügen sich vielmehr den raumbeherrschenden, sphärischen Klängen und sind gewollt steif und abgehackt ausgeführt. Dazu passen die vom Designer gewählten festen Stoffe ebenso wie die kastig geschnittenen Jacken, tulpenförmigen Röcke und auf- oder eingearbeiteten Drahtringe. Die Verschmelzung der für den amerikanischen Couturier sonst so typischen 1950er- und 1960er-Jahre-Schnitte mit der geometrischen Formensprache Oskar Schlemmers wird somit überdeutlich.
Es ist aber nicht nur die ungewöhnliche Formensprache des ehemaligen Bauhaus-Lehrers, die sich in beiden Inszenierungen wiederfinden lässt, auch das Wort „Triadisch“ gibt Aufschluss: Der in Stuttgart geborene Künstler leitete es vom griechischen Dreiklang ab und bezeichnete damit die vielfach dreifache Ordnung, die seinen Tänzen zugrunde lag. Vom choreografischen Komplex „Kostüm – Bewegung – Musik“ über die physischen Attribute „Raum – Form – Farbe“, den Raumdimensionen „Höhe – Breite – Tiefe“ und den geometrischen Grundformen „Kreis – Quadrat – Dreieck“ bis zu den Grundfarben „Rot – Gelb – Blau“ unterlag das gesamte Ballett dieser Dreiteilung. Fast 90 Jahre später gliedert auch Thom Browne seine Kollektion in drei Bereiche, jedoch lediglich in drei Farbabschnitte: Die ersten Modelle sind noch in dezentem Grau-Weiß gehalten, der zweite Abschnitt hingegen zeigt sich in zart-pastelliger Farbigkeit, während zuletzt Schwarz und Weiß die Kleider dominieren.
So bekleidet umrunden die Mannequins in New York weiter die Bühne, finden sich auf einer der hypnotischen Scheiben ein und erstarren in ihrer Bewegung. Nur noch durch die männlichen Models im Kreis gedreht, erinnern sie dabei an Statuen oder lebendige Schaufensterpuppen. Zum Schluss zeigt sich auf der Bühne die Kollektion als Gesamtbild und hinterlässt ein bewundernd staunendes Publikum. Diese Symbiose von Kunst und Mode, angereichert mit ein wenig Skurrilität und einem kleinen Augenzwinkern, begeistert Zuschauer und Kritiker gleichermaßen und auch die „Los Angeles Times“ vergleicht Thom Browne mit einem weiteren Meister in Sachen absurd-komischer Inszenierungen: „Wenn Tim Burton Träume von Modenschauen in Farbe hätte, dann würden sie so aussehen. Und das ist eine gute Sache.“

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FACTS

[lang_de]Projekt:

Bauhaus in New York | Eine Hommage an Oskar Schlemmer [/lang_de][lang_en]Project:

[lang_de]Ausgabe:

PLOT#9 – Dress the Stage on Fire[/lang_de][lang_en]Issue:

[lang_de]Gestaltung:

Thom Browne, New York (USA) > www.thombrowne.com[/lang_de][lang_en]Design:

[lang_de]Standort:

Public Library, New York [/lang_de][lang_en]Organizer:

[lang_de]Fotos:

Dan & Corina Lecca, New York (USA)[/lang_de][lang_en]Pictures: