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Interviews

TOBIAS GEISLER ÜBER DEN UNTERSCHIED VON VIRTUELLER REALITÄT UND REALER VIRTUALITÄT

POSTED 13.02.2020
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„Digitale und analoge Welt schließen sich nicht aus: Beide Welten haben ihre Vor- und Nachteile – die Kombination allerdings bietet neue Möglichkeiten, sowohl den realen als auch den digitalen Raum sinnlich zu erweitern.“

 

Mit einem Klick die Wandfarbe oder den Kissenbezug ändern und zudem gleich darauf Probe sitzen? Ein Traum wird wahr! Was bisher nur statisch mit Computer-Visualisierungen zu leisten war, können User nun selbst mittels „Real Virtuality“ (RV) im dreidimensionalen Raum am eigenen Körper erleben. So bringt die von VAVE entwickelte RV-Technologie die Grenzen zwischen realer und virtueller Welt nicht nur zum Verschwimmen, sondern verspricht zugleich eine authentische wie interaktive Inszenierung. Was es mit RV genau auf sich hat und inwiefern sich die Technologie von bereits bekannten „Virtual Reality“ (VR)-Konzepten unterscheidet, haben wir uns von Tobias Geisler, Geschäftsführer der Offenbacher Agentur, genauer erklären lassen …

 

Die Fragen stellte Julia Ihls.

 

Tobias Geisler, Du hast mit VAVE ein Tool für Real-Virtuality-Raumerlebnisse entwickelt. Was genau hat es damit auf sich und was war der ausschlaggebende Grund für dessen Konzeption beziehungsweise Umsetzung?

Wir haben die spannende Aufgabe erhalten, einen Wohnerlebnis-Showroom für ein Immobilienunternehmen zu entwickeln – eine Plattform, mit der sich verschiedenste Raumsituationen und Einrichtungsvarianten simulieren lassen. Dabei haben wir uns die Frage gestellt: Wie lässt sich ein einfacher Raum in etwas Inspirierendes und Innovatives verwandeln? Wie kann ein Raum so gestaltet werden, dass er jederzeit variierbar und dabei immer zugänglich ist? Denn wir kennen das ja alle: Im Internet, Möbelhaus oder Showroom sehen wir ein tolles Möbelstück und auf den ersten Blick sieht immer alles super aus – aber passt das neue Möbel auch zur bereits vorhandenen Einrichtung und in die Raumsituation? Wie sieht’s mit dem Stil und den Farben aus? Oder eignet sich vielleicht doch ein anderes Stück besser? Also haben wir mit Real Virtuality eine komplett immersive Umgebung geschaffen, die durch Verwendung von kabellosen VR-Brillen erlebt werden kann: Hier kann alles ausprobiert, kombiniert und angefasst werden. Real Virtuality bietet mir die Gelegenheit, mein neues Zuhause mit meiner Familie oder meinen Freunden auf spannende Weise zu entdecken – und bietet damit unendliche Möglichkeiten auf begrenztem Raum. Das ist ein echter Mehrwert.

 

Virtuelle Realität und Reale Virtualität – das klingt erst mal ziemlich ähnlich. Kannst Du bitte noch einmal genau den Unterschied zwischen VR und RV erklären?

Ein ganz klarer Unterschied zwischen den beiden Erlebnissen ist, dass ich bei „Virtual Reality“ (VR) lediglich eine VR-Brille brauche – und das in einem beliebigen Raum, der überall sein kann. Hier interagiert der User ausschließlich in der virtuellen Welt. Bei „Real Virtuality“ (RV) benötige ich hingegen einen passenden Raum zur Brille. Diese Anwendung kann nur dort durchgeführt werden, ist damit ortsgebunden, bietet dafür aber ein multisensorisches Erlebnis zum Sehen, Hören und Anfassen. Durch die Haptik haben Nutzende eine deutlich immersivere Erfahrung, worin wir den großen Vorteil sehen.

 

Sicherlich ist die Technologie hinter RV mehr als komplex und schwer zu erklären für Menschen, die keinen informationstechnischen Hintergrund haben. Kannst Du dennoch versuchen, uns einen Einblick in die RV-Umsetzung zu geben?

In einem komplett weißen Raum befinden sich weiße Möbel und Gegenstände wie etwa ein Tisch oder ein Stuhl. Dabei sind alle Gegenstände mit Sensoren ausgestattet, die virtuell erfasst werden. Beim Betreten des Raums setzen die User ein Virtual-Reality-Headset auf. Mit jenem wird nun die virtuelle Umgebung mit der physischen Umgebung in Echtzeit synchronisiert und überlagert. Das heißt, die realen Gegenstände bekommen einen digitalen „Überzug“ beziehungsweise die digitalen Gegenstände erhalten ein physisches Pendant und können somit ganz normal berührt oder bewegt werden. Die Magie beginnt hier: Ich kann mich mit meinem Hintern auf einen digitalen Stuhl setzen, oder aus einem virtuellen Glas echtes Wasser trinken. Physisches und virtuelles Erlebnis werden so zu einer Einheit und ermöglichen eine nie dagewesene Interaktion zwischen der realen und der digitalen Welt.

 

Maximal zugeschnittene User Experience in einem virtuellen Raum mit schier endlosen Möglichkeiten – das klingt ja fast zu schön, um wahr zu sein. Inwieweit lässt sich die Customer Journey bei RV individualisieren, oder ist der Besuchende im Modus Operandi doch eher an vorgefertigte Standards gebunden?

Farben, Stoffe oder Oberflächen verändern sich mit einem Klick, die User passen ihre Umgebung mit einfachen Gesten an ihre eigenen Bedürfnisse an. Dabei ist die Bandbreite an Materialien und Oberflächen tatsächlich unbegrenzt. Aber natürlich bin ich an die Gestaltungselemente des Raums gebunden: Aus einem Stuhl wird nicht plötzlich ein Bett oder aus einer Küche ein Schlafzimmer. Aber genau das macht Real Virtuality ja so authentisch: Ich kann mich in einem virtuellen Raum mit realen Gegenständen bewegen. Der große Benefit für den Kunden ist, dass zehn unterschiedliche Einrichtungskonfigurationen mit nur einem Raum erlebbar gemacht werden können. Früher musste für zehn Gestaltungsvarianten jeweils ein eigener Raum entworfen werden.

 

Und zum Schluss noch ein gewagter Blick in die Glaskugel: Wo geht es hin in den virtuellen Welten? Wird RV die Zukunft der immersiven Raumerfahrung sein, oder ist die „analoge Realität“ doch nicht so einfach zu ersetzen?

Das Raumerlebnis in einem realen Raum wird niemals ersetzt werden können. Material, Klima, Stimmung, Gerüche, Akustik, Licht – das alles nehmen wir unterbewusst war und spüren, dass wir uns in einem realen Raum befinden. In unseren Augen kann beides parallel existieren. Digitale und analoge Welt schließen sich nicht aus: Beide Welten haben ihre Vor- und Nachteile – die Kombination allerdings bietet neue Möglichkeiten, sowohl den realen als auch den digitalen Raum sinnlich zu erweitern. Der Fantasie sind damit keine Grenzen mehr gesetzt – das echte Leben findet aber immer noch da draußen statt und das ist auch gut so!

 

Tobias Geisler, vielen Dank für das erhellende Gespräch!

 

 

Zur Person

Tobias Geisler, Jahrgang 1983, studierte Innenarchitektur und Visuelle Kommunikation an der Art and Design Academy in Valencia (EASD) sowie an der RheinMain Universität in Wiesbaden. Im Anschluss daran arbeitete er als Art- und Kreativ-Direktor für mehrere international renommierte Kommunikations- und Designagenturen, bevor er 2013 den Sprung in die Selbständigkeit wagte. Zusammen mit seinem Partner Haijie Hu leitet er heute die Agentur VAVE mit Sitz in Offenbach am Main und Shanghai.

FACTS

Kontakt:

VAVE GmbH, Offenbach am Main (DE) > vavestudio.com

Fotos:

VAVE GmbH, Offenbach am Main (DE) > vavestudio.com