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Ausstellungsgestaltung

ÖDÖN VON HORVÁTH UND DAS THEATER, MÜNCHEN

POSTED 04.11.2019
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Das Leben und Werk von Theaterschaffenden im musealen Raum auszustellen ist eine delikate Angelegenheit: Die Schau konkurriert in gewisser Weise immer mit dem wesentlich ausdrucksstärkeren „Ausstellungsraum“ Theater, der mit Bühne und Schauspiel nicht nur das eigentliche Medium für das Publikum ist, sondern auch der Verhandlungs- und Erfahrungsraum, um die Werke zu interpretieren, weiterzuentwickeln und nahbar zu machen. Gelungen ist dieses Unterfangen nun dem Deutschen Theatermuseum in München, das sich mit seiner aktuellen Ausstellung Ödön von Horváth widmet – einer der meistgespieltesten Theaterautoren, der zudem sowohl die deutsche Literatur nach 1945 als auch die Gegenwartsliteratur maßgeblich beeinflusst hat. Bei der Konzeption der Schau ging das Kuratoren-Duo Nicole Streitler-Kastberger und Martin Vejvar dabei einen klugen wie naheliegenden Weg und entwickelte zusammen mit dem Wiener Bühnenbildner und Ausstellungsgestalter Peter Karlhuber ein Format, das den informativen Zugang eines Museums mit dem dramaturgisch-räumlichen Zugriff der Theaterpraxis geschickt collagiert.

Entstanden sind drei Räume, die sich gestalterisch und inhaltlich jeweils einem wichtigen Werk Horváths sowie einem übergeordneten Begriff – Ökonomie, Erotik und Politik – widmen. Darüber hinaus werden Einblicke in die Entstehung und Rezeption seiner Stücke gegeben. Noch bevor der erste Raum jedoch richtig betreten wird, lächelt einen in gewisser Weise schon das Ende an: Unter einem über den Köpfen hängenden Ast können sich Besucher über Horváths kuriosen Tod informieren, der im Juni 1938 auf der Pariser Champs-Élysées von einem herabfallenden Ast erschlagen wurde. Nach diesem kuratorischen Flick-Flack von quasi Prolog zu Epilog, öffnet sich ein größerer Raum voller Bierzeltgarnituren und Bierkrügen. Was nach einem ausgelassenen Gezeche aussieht, bezieht sich auf Horváths Stück „Italienische Nacht“ anhand dessen die politischen und gesellschaftlichen Brüche nach dem Ersten Weltkrieg bis hin zur Machtübernahme der Nationalsozialisten und deren Einfluss auf Horvaths Politisierung in Werk und Persona skizziert werden. Als Requisiten dienen dabei zeitgeschichtliche Fotos und Illustrationen. Bierkrüge sind mit Zitaten bedruckt und Entwürfe des Bühnen- und Kostümbildners Gerhard Jax aus den 1970er-Jahren kontextualisieren zudem Zeitgeschehen und Zugriff. Während die Besucher bei ihrem Rundgang im Treppenhaus von weiteren bedruckten Bierkrügen, Dialogen, die Horváths distinktive Sprache aufzeigen, Zitaten und Familienfotos begleiten werden, tut sich auf der zweiten Etage ein Jahrmarktszenario auf, das dem Stück „Kasimir und Karoline“ entsprungen scheint. Und auch hier arbeiten die Ausstellungsmacher mit historischen Illustrationen und Gegenständen sowie Bühnenbildzeichnungen von Caspar Neher, um sowohl das Werk an sich als auch den thematischen Schwerpunkt von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen in Horváths Arbeiten zu beleuchten. Dabei findet in diesem Raum auch seine Affinität zur „Folklore“ ihr Echo: Ein Karussell spannt sich in den Raum und verschwindet halb in der Wand. Im letzten Raum steht schließlich Horváths erster großer Erfolg im Mittelpunkt des Geschehens: „Geschichten aus dem Wiener Wald“. Besucher finden hier zum einen eine stilisierte Fleischerei, zum anderen einen mit Puppenköpfen bzw. -masken ausgestatteten Raum, mit dem auf die entsprechenden Handlungsorte im Stück verwiesen werden soll. Unter dem Topos der Ökonomie werden dabei verschiedene Facetten der „stillen Straße“ exponiert, wie etwa der Mittelstand und seine ökonomische und politische Verfasstheit, die Frau als Ware und analog dazu der Mann als Fleischhauer sowie Horváths Umgang mit dem Wien-Klischee.

So lohnt es sich in jedem Fall, diese reich bebilderte und klar strukturierte Ausstellung zu besuchen: Zeithistorische Dokumente, Plakate, Videos von Inszenierungen und nicht zuletzt die szenografische Gestaltung erlauben einen vielfältigen Zugriff auf das Werk des Autoren, seine politische Substanz sowie die brisante Aktualität seiner Stücke. Allerdings bleibt ein kleiner Wehmutstropfen und damit eine Frage offen: Wo war die Musik bzw. die „musikalische Untermalung“, die in Horváths Werk doch so wichtig war? Sie hätte dem collagenhaften Charakter der Ausstellung entsprochen und den „klassischen Museumsraum“ um ein paar Empfindungen reicher gemacht …

FACTS

Projekt:

Ödön von Horváth und das Theater, München

Gestaltung:

Peter Karlhuber, Wien (AT) > www.peterkarlhuber.com

Standort:

Theatermuseum München, Galeriestr. 4 A, München (DE)

Zeitrahmen:

24.05.2019–17.11.2019

Auftraggeber:

Deutsches Theatermuseum, München (DE) > www.deutschestheatermuseum.de

Fotos:

Wolfgang Mittendorfer/Deutsches Theatermuseum, München (DE) > www.deutschestheatermuseum.de