Inszenierungen im Raum
GLAUBEN AN DIE MÖGLICHKEIT DER VÖLLIGEN ERNEUERUNG DER WELT, BERLIN
René Pollesch und Fabian Hinrichs im Friedrichstadtpalast: Das war eine Sensation in Theaterkreisen, wird doch traditionell in Deutschland immer sehr klar unterschieden zwischen Unterhaltung und ernster Kunst, also U und E. Der Berliner Friedrichstadt-Palast ist eindeutig U und Pollesch doch E, oder? Wer schon ein paar Theaterabende von Pollesch gesehen hat (der seit seiner Anfangszeit im Berliner Prater zusammen mit seinem Bühnenbildner Bert Neumann auf knallige Bühnen in Rummel- und Set-Ästhetik gesetzt hat, komplett mit Glitzervorhängen und gedruckten Hintergrundhängern, kontrastiert durch die essayistischen Texte, die von den Spielenden hochenergetisch vorgetragen werden), wird sich hingegen gedacht haben: Warum eigentlich nicht? Das passt doch! So ähnlich wird es dem Duo Hinrichs-Pollesch wohl auch gegangen sein, die spätestens seit dem Solo „Kill your Darlings!“ an der Volksbühne 2012 gezeigt haben, dass sie außer einer großen Bühne, dem Text und dem seltsam fragilen Körper Hinrichs nicht viel brauchen, um zu berühren.
Dieses erprobte Rezept kommt nun auch bei „Glauben an die Möglichkeit der völligen Erneuerung der Welt“ am Friedrichstadt-Palast zum Tragen – wohlgemerkt auf der größten Showbühne der Welt: 37 Meter breit, 38 Meter tief, drei Drehscheiben, eine davon allein auf der Vorbühne. Hier werden sonst allabendlich vor ausverkauftem Haus Revuen getanzt, Bühnentechnik, Tänzer und Show-Effekte gehören zu den besten weltweit. Nur konsequent, dass Pollesch nutzt, was da ist: die riesige leere Bühne, 27 Tänzer und Tänzerinnen aus dem Ensemble, die Laserlichtshow, die leuchtenden Hüte und eine (selbstfahrende!) Brücke aus dem Bühnenbild der aktuellen Show „Vivid“. Hinreißend ist es, wenn Hinrichs von Einsamkeit redet – der einen Form, die einen das Leben lang begleitet, und der anderen, die einen punktuell überfällt. Über Liebeskummer, soziale Wüsten (leere Bühne) und emotionale Obdachlosigkeit (unter der Brücke) führt der Bogen des Abends über die Frage, ob wir uns eine umfassende Erneuerung der Welt überhaupt vorstellen können. Und endet mit Leichtigkeit fast selbstverständlich im nötigen radikalen Umdenken, schließlich wollen wir das Leben, wie wir es kennen, auf diesem Planeten retten. Und da ist er, der Beweis, dass es eben doch geht, U und E miteinander zu vereinen. So freuen sich die Zuschauer über das Können der Tänzer, lassen sich von der Schönheit trösten und von Hinrichs jungenhaften Charme mitnehmen. Sie lachen über sich selbst, sind gerührt („Ich habe Leuten, die in der Supermarktschlange vor mir standen, meine Nummer gegeben. Das habe ich ein paar mal gemacht – und ALLE haben angerufen! Das ist Einsamkeit! Dabei sah ich wirklich nicht gut aus!“) und können inhaltlich etwas mitnehmen. Nämlich Hoffnung auf den Sieg des Guten, wie sich das gehört bei einer ordentlichen Revue, sowie die ein oder andere Zeile, die im Kopf bleibt, wie sich das eben für einen ordentlichen Pollesch gehört. Und die Leuchtköpfe, die waren auch wirklich gut!