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Interviews

ANDREAS SAROW ÜBER DIE SCHNITTSTELLE VON ARCHITEKTUR UND KUNST

POSTED 29.08.2019
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„Für mich war Architektur schon immer auch Kunst! Und unter diesem Aspekt begegne ich ihr, auch wenn der gedankliche Anspruch mich meist enttäuscht.“

 

Von schwarzen Villen bis zu magentafarbenen Häuser-Reihen: Der Architekt und Künstler Andreas Sarow hinterfragt mit seinen temporären, ortsspezifischen Inszenierungen gängige Sehgewohnheiten und scheut für deren Realisierung im öffentlichen Raum auch nicht die ein oder andere polarisierende Auseinandersetzung mit der Denkmalschutzbehörde oder dem Amtsgericht. Mit uns hat der Installationskünstler, der gleichzeitig auch Immobilienmakler ist, über die verschwimmende Grenze zwischen Kunst und Architektur sowie die Herausforderungen von künstlerischen Großprojekten mit Guerilla-Charme gesprochen.


Die Fragen stellte Julia Ihls.

 

Andreas Sarow, Sie sind gelernter Architekt. Wie hat es Sie zur Kunst verschlagen?

Das stimmt: Von 1995 bis 2000 habe ich Architektur in Stuttgart unter Professor Hans Klumpp studiert und als Dipl.-Ing. (FH) erfolgreich abgeschlossen. Dabei war für mich Architektur schon immer auch Kunst! Und unter diesem Aspekt begegne ich ihr, auch wenn der gedankliche Anspruch mich meist enttäuscht. Das spiegelt sich auch in meinen Arbeiten wider, die sich mit Architektur, Gesellschaft und Bautraditionen kritisch auseinandersetzen. Nüchtern betrachtet, bauen wir immer noch so wie vor 500 Jahren: Vier Wände und meist ein Satteldach mit Tonziegeleindeckung, ohne Formensprache und ohne Rücksicht auf den Ort. Das gehört verboten. In meiner Arbeit „Factory“ wird das zum Beispiel deutlich: Die friedlich anmutende Hausproduktion in Magenta wird bei näherer Betrachtung zum streng bewachten Vernichtungslager für spießige Architektur. Ironischer Weise ist das Magenta-Haus mit seiner 30-Grad-Dachneigung zu meinem Markenzeichen geworden und in der Stadt Pforzheim zum mittlerweile meistfotografierten Objekt.

 

Gibt es Ihrer Meinung nach eine Grenze zwischen der Arbeit als Architekt und der als Künstler? Und wenn ja, wo würden Sie diese in Ihrem Fall ziehen?

Meine Objekte gehen sehr in die plastische Darstellung mit wenigen bzw. monochromen Elementen und sind nicht zur Nutzung geeignet, da zum Beispiel Fenster ganz geschlossen sind oder gar ganz fehlen. Architektur benötigt viele technische Details für die Funktion und Nutzung, die bei einem reinen Kunstobjekt eher stören. So soll das Projekt „Schwarze Villa“ etwa unsere Sehgewohnheiten beeinträchtigen, da die übliche Material- und Farbschlacht eines Gebäudes durch den monochromen Farbanstrich komplett verschwindet. Ja, ich glaube, dass durch den technischen Fortschritt Kunst und Architektur immer mehr miteinander verschmelzen können, gerade was eine organische Formensprache anbelangt, wie bereits bei vielen öffentlichen Gebäuden zu sehen ist. Dynamik ist ein Stilmittel, das es nun 1:1 vom Entwurf insbesondere durch Computerunterstützung bis zur Realisierung schafft. Der Kunst in der Architektur sind somit keine Grenzen gesetzt – wobei ich persönlich von der Bauhaus-Lehre und dessen kubischen Formen geprägt bin.

 

In Ihren künstlerischen Arbeiten geht es oftmals um temporäre Umnutzungen von Gebäuden oder Räumen, gerne auch als „Sarowisierung der Street Art“ bezeichnet. Wie gehen Sie an ein neues Projekt heran?

Ich lasse mich ganz auf das zu bearbeitende Objekt ein und lege seinen wahren Charakter frei. Dementsprechend sind meine Projekte nur einmal an genau diesem Objekt und genau diesem Ort möglich. Dabei gestaltet sich die erste Erkenntnis bereits nach den ersten 60 Sekunden und wird alternativlos ausgearbeitet. Das „Bedrohte Haus“ mit seinem überdimensionalen Käfig konnte beispielsweise nur dort realisiert werden – in einer kahlgeschlagenen Umgebung mit Panoramablick über die Stadt. Ich freue mich, mit meinen Arbeiten ein eigenes Genre begründet zu haben, das auch die Chancen für Kunst im öffentlichen Raum für eine Stadt aufzeigt.

 

Was war für Sie bisher die größte Herausforderung im Umgang mit vorgefundenen Raumsituationen?

Jedes neue Objekt stellt für mich eine neue Herausforderung dar, die mich bis zur Fertigstellung nicht mehr loslässt. Meine Projekte sind materialverschlingende Großskulpturen mit bis zu 120 Metern Länge wie etwa bei der „Factory“. Daran im Verborgenen – meist unter einer Plane – zu arbeiten, um den Guerilla-Effekt zu erzielen, ist eine große Herausforderung. Meine berufliche Erfahrung hilft da bei der Überlegung zur technischen Machbarkeit und Materialauswahl durchaus.

 

Und zum Schluss noch eine persönliche Kreativ-Frage: Wenn Budget, Zeit und physikalische Gesetze keine Rolle spielten, wie würde Ihr Luftschloss-Traumprojekt aussehen?

Mitten im Straßenraster von Manhattan würde ich einen kompletten Block mit einem „Sarow-Magenta-Haus“ bebauen: 300 auf 175 Meter, mit einer Firsthöhe von 300 Metern, in einer Farbe, einem Material und ohne Öffnungen

 

Andreas Sarow, vielen Dank für das inspirierende Gespräch!


Zur Person

Andreas Sarow, Jahrgang 1974, studierte von 1995 bis 2000 Architektur in Stuttgart. Seit 2015 sorgt er mit zahlreichen urbanen Kunstprojekten für Aufmerksamkeit. Dabei unterbricht er den klassischen Werdegang von Bau, Nutzung und Abriss von Immobilien, um so ihren tieferen Charakter überzeichnet freizulegen und damit einhergehend Kritik an Architektur, Bautraditionen und Gesellschaft zu üben.

FACTS

Kontakt:

Andreas Sarow, Pforzheim (DE) > www. galerie-sarow.de

Fotos:

Maximilian Heinsch, Stuttgart/Karlsruhe (DE) > mhfotograf.de
Christian Metzler, Pforzheim (DE)