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Film- & Bühnenarchitektur

Filmrezension „Raum“

POSTED 24.09.2016
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PLOT hat mal wieder eine Blu-ray geschaut! „Raum“ hat auf vielen Festivals überzeugt, unzählige Auszeichnungen erhalten, war mehrfach für den Besten Film nominiert und konnte Brie Larson Preise für die Beste Hauptdarstellerin sowohl bei den Golden Globes als auch bei den Oscars bescheren. Allein der Titel des Films weckt bei szenografisch interessierten Filmliebhabern dabei die pure Neugier. Nun ist „Raum“ auf Blu-ray, DVD und im Streaming erschienen. 118 Minuten werden hier Gefangenschaft und Befreiung sowie Mutterschaft in einem realen Alptraum thematisiert. Wir schalten den Fernseher ein und betreten einen dunklen Ort, den seine Insassen Raum tauften – als wollten sie damit der sie umgebenden Enge der Gefangenschaft etwas entgegenhalten.

von Alexander Bischoff

„Raum“ handelt vom kleinen Jack und seiner Mutter Joy, die er liebevoll Ma nennt. Die beiden werden von Old Nick in Raum – so nennen sie den unbeschreiblichen Ort – gefangen gehalten. Raum, von Jack wie ein Ortsname ohne Artikel gesprochen, ist ein 3,5 auf 3,5 Meter großes, mit improvisierten Mitteln wohnlich gestaltetes Gefängnis und für Jack, der zu Beginn des Films seinen fünften Geburtstag feiert, die reale Welt.

Der Film beginnt mit dem befremdlichen Alltag von Ma und Jack in Raum: Sie essen und basteln zusammen, nehmen ein Bad, schauen Fernsehen und spielen in dem engen Zimmer. Abends kommt Old Nick – ein verschrobener Arbeiter und sozialer Absteiger, der Joy als 17-Jährige entführte. Der regelmäßige Geschlechtsverkehr zwischen Opfer und Täter in der Besuchszeit zeigt dabei Joys tragische Niederlage und Unterwerfung. Ihren Sohn vor Old Nick zu schützen ist ihr stärkster, Mut bringender Motor. Zu seinem Schutz verbringt Jack diese Zeit im Kleiderschrank, der zu einer gemütlichen Koje umfunktioniert wurde – auch das gehört zur Routine in Raum.
Joy beschließt, Jack über die Realität außerhalb von Raum sowie die Wahrheit über Old Nick aufzuklären. Um ihren Sohn vor jenem zu schützen, plant sie die Flucht. Hierfür muss Jack einen Teil seiner beschränkten und märchenhaften Vorstellung darüber, was jenseits von Raum liegt, ablegen und großes Vertrauen sowie Mut aufbringen.

„Raum“ ist ein Film über die Freiheit sowie die Möglichkeit innerer Weite innerhalb einer Gefangenschaft. Trotz ihrer inneren Zerrissenheit kümmert sich Joy übermenschlich um ihren Sohn: Sie achtet streng auf einen geregelten Tagesablauf, der immer wieder von Stimmungsschwankungen zwischen ihr und Jack erschüttert und gelähmt wird – beide sind durch die Enge angespannte Wesen, denn der begrenzte Raum macht es nahezu unmöglich, überschüssige Energie zu verbrauchen. Sehr beeindruckend ist dabei die Leistung der Hauptdarstellerin Brie Larson in jenen Szenen von Ma, in denen sich für einen Augenblick all der Zorn und die Wut auf Old Nick gegen Jack zu richten drohen. Doch Joy schafft es, diese mit Liebe abzufangen oder zumindest abzuschwächen. Jack begreift noch nicht, dass Raum für sie der Ort der Qual und Gefangenschaft ist – für ihn ist Raum vielmehr eine geliebte Heimat. Jacks innige Beziehung zu den Objekten im Raum bildet dabei einen starken Kontrast zur Realität seiner Mutter, die er noch nicht kennt und erst im Verlauf des Films erahnen wird.

Szenografisch ist vor allem der titelgebende Ort – Raum – zentral. Für den Film wurde dabei ein technisch ausgefeiltes und ungewohnt kleines Set-Design konzipiert. Damit die Schauspieler in dem engen Zimmer drehen konnten, wurde die Bühne so konstruiert, dass sowohl an den Wänden, als auch im Boden Modul-Platten entnommen werden können, um die Kamera dort je nach Bedarf zu positionieren. Ziel von Kameraführung und Szenenbild war es zudem, den Zuschauern den Ort des Geschehens wie durch Jacks Augen groß, weit und spannend aussehen zu lassen. Dieses Kamera-Raum-Konzept geht auf und der starke Kontrast von Jacks Wahrnehmung von Raum zu dessen realen Proportionen wird anschaulich visualisiert.

Der Ort der Gefangenschaft ist für das Kind ein Ort der Spiele, der Gute-Nacht-Geschichten, der Eierschalen-Schlangen, der gemeinsamen Essen, des Bruststillens und der sicheren Nähe zu Ma. Erst in Freiheit lernt Jack, wie klein Raum wirklich war. Und es ist sehr ergreifend, mit ihm zu erleben, wie er die Weite und Vielfalt, der für ihn neuen Welt aufsaugt und zunehmend als selbstverständlich empfindet. Leider muss er im Lauf der Geschichte erfahren, dass so wie er Raum als einen schönen und gewohnten Ort in der Freiheit vermisst und nicht loslassen kann, Ma von der dunklen Erinnerung an Raum nicht losgelassen wird: Solange ein Raum nicht mental verlassen wurde, befinden sich Seele und Geist noch immer in ihm. Raum hat noch immer Macht über Joy und bedroht sie so sehr, dass sie daran fast zugrunde geht.

Im Kern ist „Raum“ ein Film über die Anpassungsfähigkeit und den Überlebenswillen von Menschen. Ob in einem Zwangsraum, in einem Gewaltraum oder in einem Gefängnis – die Freiheit lebt im Geist und in der Liebe. Denn ohne die Liebe hätten Jack und Joy die Zeit in Raum nicht so unbeschadet überstehen können, und die Flucht wäre ihnen unmöglich gewesen. So schwebt über allem die Erkenntnis: Alles um uns ist Raum und seine Größe wird erst im Geist sowie in den Geschichten über ihn bestimmt.

 

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Raum

 

FACTS

Titel:

Raum

DVD-Start:

28.07.2016

Regie:

Lenny Abrahamson

Drehbuch:

Emma Donoghue

Szenenbild:

Ethan Tobman

Kamera:

Kamermann

Fotos:

1 Caitlin Cronenberg, Universal Pictures Germany > upig.de
2 – 7 George Kraychyk, Universal Pictures Germany > upig.de
8 Universal Pictures Germany > upig.de

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