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Film- & Bühnenarchitektur

Invisible Cities | Los Angeles

POSTED 26.09.2016
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Dass es kein großes Opernhaus braucht, um eine großartige Oper aufzuführen, zeigen der amerikanische Komponist Christopher Cerrone und der Regisseur Yuval Sharon mit der Inszenierung „Invisible Cities“: Manchmal genügt auch ein großer Bahnhof – und eine außergewöhnliche Idee …

von Myriam Guedey

Die Union Station in Los Angeles ist einer der großen alten Bahnhöfe der Vereinigten Staaten – mit einem riesigen Wartesaal und einer getäfelten Holzdecke, von der opulente Leuchter hängen. Hier herrscht geschäftiges Treiben, eine Durchsage nach der anderen schallt durch den Raum, unzählige Reisende mit Rollkoffern eilen umher, während andere wartend in den überdimensionalen Sesseln versinken. Es ist eigentlich wie immer – bis einer der Wartenden seine Zeitung weglegt und beginnt, aus voller Brust zu singen. Jetzt fallen auch ein paar Passanten auf, die sich seltsam bewegen und über den Boden wälzen, zudem erscheinen immer mehr Menschen mit Kopfhörern.
Ein Flashmob? Nicht wirklich: Es ist die Oper „Invisible Cities“ – die unsichtbaren Städte –, die hier uraufgeführt wird. Das Stück basiert dabei auf Italo Calvinos gleichnamiger Erzählung aus dem Jahr 1972. Darin berichtet der Entdecker Marco Polo dem alternden Mongolenherrscher Kublai Khan von den Städten, die er auf seinen Reisen durch das chinesische Reich besuchte. Es sind allesamt fiktive Orte, die vom schleichenden Verfall des Kaiserreichs künden.

Wie passend erscheint da – zumal in der Autostadt L.A. – ein historischer Bahnhof als Bühne für die philosophischen Kurztexte, die der Komponist Christopher Cerrone adaptiert und in eine Oper überführt hat. „Ungewöhnlich leise und eindringlich ist sie, genau richtig“, befand der Regisseur Yuval Sharon, um eine lang gehegte Idee zum Leben zu erwecken: eine Oper für Kopfhörer. Und jene stellen das „Prinzip Oper“ im wahrsten Sinne auf den Kopf: Ist es sonst die Bühne, das Bild, das quasi vollständiger Kontrolle unterliegt, während Ton und Musik je nach Umgebung an jedem Platz im Raum anders klingen, so ist es bei „Invisible Cities“ gerade umgekehrt. Tänzer und Sänger bewegen sich völlig frei durch die riesige Halle, die benachbarten Räume und die begrünten Innenhöfe. Die Zuschauer folgen ihnen, ebenso frei in der Wahl ihrer Perspektive, denn der Gesang und das Orchester, das in einem Nebenraum spielt, werden über Mikrofone aufgenommen und drahtlos an die Kopfhörer übertragen. Jeder hört exakt dasselbe, sieht aber etwas anderes.

„Die Inszenierung liegt beim Betrachter“, sagt Yuval Sharon in Anlehnung an Marcel Duchamp. Daher „gibt es auch keine richtige oder falsche Position, keine festgelegten Wege, keinen zentralen Fluchtpunkt“. Inmitten von Tänzern, Sängern und Reisenden wird der Opernbesucher zum Regisseur des eigenen Blicks auf das Geschehen. Zwei Parallelwelten, Oper und Alltag, überlagern und durchdringen sich so auf fantastische Weise. Obwohl keiner der Zuschauer jemals die gesamte Bühne überblickt, bleibt doch jeder durch die Kopfhörer mit allem verbunden. Zudem macht die Technik etwas möglich, was Oper sonst kaum realisieren kann: extrem leise Töne. Die Sänger singen stellenweise so leise, dass kaum mehr als ein Atmen wahrnehmbar ist. Marco Polo flüstert uns ins Ohr. Raum und Geschichte der Inszenierung entfalten sich letztendlich im Kopf des Besuchers. Imaginär, wie Calvinos unsichtbare Städte.

FACTS

Projekt:

Invisible Cities, Los Angeles (US) > www.invisiblecitiesopera.com

Regie:

Yuval Sharon, Los Angeles (US) > www.yuvalsharon.com

Komposition:

Christopher Cerrone, New York City (US) > www.christophercerrone.com

Choreografie:

Danielle Agami, Los Angekes (US) > www.nwdanceproject.org

Soundsystem:

Sennheiser electronic GmbH & Co. KG, Wedemark (DE) > www.sennheiser.com

Standort:

Union Station, Los Angeles (US)

Premiere:

19.10.2013

Auftraggeber:

The Industry, Los Angeles (US) > www.theindustryla.org

Fotos:

The Industry, Los Angeles (US) > www.theindustryla.org