INSZENIERUNGEN IM RAUM AUSSTELLUNGSGESTALTUNG MARKENWELTEN FILM- & BÜHNENARCHITEKTUR NEUE WELTEN
Submit a PLOT
PLOT
GO

Interviews

Lutz Engelke über Eventgestaltung und Partizipation

POSTED 08.04.2015
PICTURE
PICTURE 1
 
PICTURE 2
 
PICTURE 3
 
PICTURE 4
 
PICTURE 5
 
PICTURE 6
 
PICTURE 7
 
PICTURE 8
 
PICTURE 9

„Eine wirklich gelungene Veranstaltung zeichnet sich allerdings immer erst durch die wunderbaren Zwischentöne, die Poesie des Augenblicks und die überall mitschwingende Geste des erzählerischen Ganzen aus.“

 

„Mehr Fantasie wagen!“ Das ist das Credo von Lutz Engelke, Gründer von TRIAD – einer Kommunikationsagentur mit Schwerpunkt auf Erlebnis- und Themenkommunikation. Dazu gehört auch die Choreografie von Projekten im Bereich der Eventgestaltung, deren Erfolg maßgeblich vom Engagement der Teilnehmer abhängt. Wir haben bei Lutz Engelke nachgefragt, wie er Events gestaltet und Partizipation anregt.


Die Fragen stellte Anna Bühling.

 

Herr Engelke, ihr Appell lautet: „Mehr Fantasie wagen!“ Was machen Sie anders, um Ihre Events fantasievoll zu gestalten?

In unserer Agentur verfügen wir über großes internes Kreativpotential, das international, bereichsübergreifend und interdisziplinär miteinander vernetzt ist und in einem ständigen Inspirationsfluss agiert. Fantasie und kreatives Schaffen entstehen aus dem Mut heraus, auch mal „Bewusstseinsunfälle“ zuzulassen und Dinge, die scheinbar nicht zusammengehören, so zu kombinieren, dass ein verblüffendes Novum der Realität hinzugefügt wird. Der Gestaltungsfreiraum für kreative Kombinatorik ist bei Events besonders groß. Also lassen wir überraschende Erlebnisketten und „Schatzkammern“ entstehen, aus denen die Besucher auch nach dem Event „Begeisterungsjuwelen“ davontragen.

 

Sie haben nicht nur im Eventbereich umfangreiche Erfahrungen, sondern auch in den Bereichen EXPO, Messe- und Ausstellungsgestaltung. Welche besonderen Herausforderungen birgt die Eventkommunikation gegenüber anderen Formaten der räumlichen Kommunikation?

Während sich die Erzählungen in Ausstellungen wie eine Landschaft im Raum auffalten und von den Besuchern selbstbestimmt und unabhängig vom Zeitpunkt entdeckt werden, so ist die Herausforderung bei einem Event, ein gestalterisches, organisatorisches und dramaturgisches Laufwerk zu kreieren, in dem die Teilnehmer durch ihre Partizipation Teil der Erzählung werden. Dazu müssen alle Räder des Laufwerks präzise ineinander greifen und sowohl Timings, Raumwandlungen und Inszenierungskurven, als auch Pausen und Erlebnisfreiräume mitgedacht werden.

 

Immer wieder wird die „Eventisierung“ gegenüber dem Format der Ausstellungsgestaltung kritisiert. Warum gibt es diese Kritik und ist sie berechtigt?

Kritik ist natürlich immer dann berechtigt, wenn es sich um eine unpassende Anwendung handelt, die das Ziel verfehlt oder der es an Qualität mangelt. Wenn sich räumliche Kommunikationsformen weiterentwickeln, ist das aber zunächst eine spannende Sache. Warum sollten die Vorteile der Live-Kommunikation nicht der Ausstellungsgestaltung zugutekommen? Die Bereitschaft zu hybriden Lösungen und überraschenden Neukombinationen sind in beiden interdisziplinären Arbeitsbereichen eine überlebenswichtige Haltung.

 

Bilden Events eine Plattform, um eine fundierte inhaltliche Auseinandersetzung mit Themen anzustoßen oder sind sie eher dazu geeignet, die Positionen und Werte der Unternehmen zu transportieren?

Ein konsequent konzipiertes Event hat grundsätzlich das Potential durch einzigartige, gemeinsame Erlebnisse und persönliche Begegnungen ein intensives und nachhaltiges Kommunikationsformat zu sein. Ob Diskurs, Mitarbeitermotivation oder Konsumanstoß – die zu vermittelnden Inhalte und Anlässe von Events sind breit gefächert und von immer anderen Kommunikationszielen abhängig. Wie direkt oder abstrahiert, inszenatorisch oder interaktiv die Erzählweise ist, oder welche Formate miteinander kombiniert werden, wird jedes Mal neu abgeschmeckt, um die Zutaten der Inszenierungskurve möglichst abwechslungsreich und passend zu gestalten.

 

Wodurch zeichnet sich Ihrer Meinung nach ein gelungenes Event aus?

Da jedes Event lange vorbereitet, einmalig inszeniert und live erlebt wird, ist allein der organisatorische Anspruch an sein Gelingen sehr hoch. Eine wirklich gelungene Veranstaltung zeichnet sich allerdings immer erst durch die wunderbaren Zwischentöne, die Poesie des Augenblicks und die überall mitschwingende Geste des erzählerischen Ganzen aus. Denn das ist es, was in Form von emotionaler Bereicherung an den Menschen haften bleibt.

 

Welche Rolle spielen eigentlich die Besucher in der Dramaturgie des Events?

Häufig werden die Teilnehmer bereits im Vorfeld mit ersten „Kommunikationsbausteinen“ gelockt und dazu angeregt, sich einzubringen. Dies macht sie sofort zu beteiligten Mitgestaltern, statt zu „berieselten“ Zuschauern. Die partizipative Einbindung von kollektiven Beiträgen, Abstimmungen oder Schwarm-Dynamiken in die Dramaturgie des Events lässt die Teilnehmer Wertschätzung erfahren und macht das Event zu einer demokratischen Austauschplattform.

 

Wie lässt sich in unserer schnelllebigen und übersättigten Zeit die Bereitschaft der Zuschauer herstellen, sich auf Kommunikationsprozesse einzulassen?

Ein Event muss einen wertvollen, einmaligen Inspirationsraum darstellen, der überraschende Kommunikationswerkzeuge anbietet, um Partizipation, Spieltrieb, Teamwork und die Bereitschaft zur Ideenfindung zu stimulieren. Die direkte Begegnung vor Ort, der symphonische Reiz aller Sinne und eine narrative Erlebniskomposition erfahren eine immer höhere Wertschätzung in der zunehmend digitalen Informationsflut.

 

Gibt es ein besonders gelungenes Beispiel von TRIAD Berlin für die Gestaltung eines solchen Inspirationsraums?

Ja, ich denke zum Beispiel an das Design-Thinking-Event „d.confestival“, welches in der Manege eines Zirkuszelts neuen Ideen einen besonderen Auftritt ermöglicht hat. Oder an die jährlich stattfindende „Denk ich an Deutschland“-Konferenz der Alfred Herrhausen Gesellschaft und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Auf der Basis provokanter Thesen wird dort leidenschaftlich und kenntnisreich über Zustand und Zukunft Deutschlands diskutiert. Das Thema „digitale Zukunft erkennen“ sowie die Offenheit für verschiedene Perspektiven wurden in der Programm-Dramaturgie und der Event-Szenografie in Form einer raumgreifenden Netzstruktur widergespiegelt.

 

Zu guter Letzt: Warum sollten sich Unternehmen solche Events auch zukünftig leisten?

Ein Event zu veranstalten, bedeutet zu einer direkten Begegnung einzuladen. Damit schafft das Unternehmen einen individuell gestalteten Raum, der Erlebnis, Erkenntnis und Emotionen in sich bündelt sowie Inhalte auf eine ganzheitliche und nachhaltige Weise kommuniziert. Er wird nicht nur zu einem effektiven Transporteur der eigenen Werte, sondern erhält durch die interaktive Partizipation der Teilnehmer wertvolle Rückmeldungen und Denkanstöße, um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu steigern.


Herr Engelke, wir danken für das Gespräch!

 

Zur Person

Lutz Engelke studierte Literaturwissenschaft, Publizistik und Filmwissenschaften. 1994 gründete der ehemalige Pressesprecher des Berliner Senats die Kreativagentur TRIAD Berlin, unter deren Dach sich inzwischen ein zweiter Standort in Shanghai sowie 180 Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Berufsbereichen tummeln. Zusätzlich zum Agenturalltag lehrt Lutz Engelke seit 2011 als Honorarprofessor an der Fachhochschule Potsdam im Ausbildungsschwerpunkt Eventdesign. Dass er Theorie und Praxis beherrscht, beweisen die zahlreichen Auszeichnungen und Preise, welche die international renommierte Agentur regelmäßig gewinnt. Wie etwa für den „Urban Planet Pavilion“ (wir berichteten in PLOT #6) auf der Expo 2010 in Shanghai, dessen künstlerische Gesamtleitung Lutz Engelke persönlich übernahm und dafür verantwortlich zeichnete, dass der Pavillon mit einem authentischen Konzept und einer emotionalen Inszenierung überzeugen konnte. Derzeit konzipiert Lutz Engelke mit seinem Team unter anderem ein Science Center in Saudi-Arabien sowie das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund.

FACTS

Kontakt:

Lutz Engelke, TRIAD Berlin> www.triad.de

Fotos:

Stefan Wieland, Köln> www.www.stefanwieland.com | TRIAD Berlin> www.triad.de