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Interviews

Robert Henke über Klang und Räume

POSTED 30.08.2014
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Robert Henke hat sich schon immer am liebsten in der Schnittmenge aus Kunst und Technologie bewegt. Dabei ist sein Wirken vielfältig: Elektronische Clubmusik, audiovisuelle Konzerte, Kompositionen in der Tradition akademischer Computermusik sowie ortsspezifische Installationen. Zudem ist der in Berlin lebende Gestalter Mitentwickler der Software „Ableton Live“, die sich seit ihrer Einführung im Jahre 1999 zum Standard-Werkzeug für computergestützte Musikproduktion entwickelt hat und die Aufführungspraxis elektronischer Musik in den letzten Jahren nachhaltig prägte.
Grund genug für PLOT, Robert Henke im Zuge von PLOT#10 – Die Macht des Klangs einmal genau unter die klangliche Lupe zu nehmen.


Die Fragen stellte Céline Kruska.

 

Sie sind nicht nur Künstler, sondern auch studierter Informatiker. Letzteres war die Voraussetzung dafür, dass Sie angefangen haben, Ihre eigenen Werkzeuge zu entwickeln. So haben Sie beispielsweise Ihr musikalisches Instrumentarium selbst kreiert. Wie lässt sich diese Entwicklungsarbeit zwischen dem Techniker und dem Künstler Robert Henke eigentlich vorstellen?

Es gibt keine strikte Trennung mehr zwischen der Erschaffung von Instrumenten und der Komposition mit diesen. Das unterscheidet die digitalen Künste des 21. Jahrhunderts von der arbeitsteiligen Welt der Instrumentenbauer und Virtuosen vergangener Epochen. Eine Idee kann sich aus einem technischen Prozess entwickeln oder ein inhaltlicher Wunsch verlangt eine spezifische Umsetzung in einer Software. In beiden Fällen ist der Schaffensprozess häufig iterativ, jeder Schritt der Entwicklung wirkt zurück auf die ursprüngliche Intention.
Für mein Projekt Lumière – eine audiovisuelle Performance mit Lasern – war es nötig, eine eigene Software zur Steuerung der Laser zu entwickeln. Die Erfahrungen aus der Entwicklung zeigten Möglichkeiten und Grenzen des Mediums auf und haben unmittelbare Auswirkungen auf den künstlerischen Umgang mit dem Medium. Bei diesem Projekt ist der Entwicklungsprozess noch nicht abgeschlossen. Die bisherigen Erfahrungen mit den Aufführungen von Lumière legen Änderungen nahe. Das Instrumentarium muss sich weiter entwickeln, um die neuen inhaltlichen Anforderungen zu erfüllen, und diese Weiterentwicklung der Software wird unweigerlich zu neuen künstlerischen Ergebnissen führen.

 

Neben Ihren Sound-Projekten realisieren Sie zunehmend installative und performative Arbeiten an der Schnittstelle von digitalem und realem Raum. Welche Bedeutung besitzt in diesem Zusammenhang der gebaute Raum für Ihre Arbeit?

Das Thema Raum ist extrem wichtig für meine Arbeit, wobei es mehrere Aspekte gibt: Der Raum definiert sich über seine Akustik, die einen maßgeblichen Einfluss auf das klangliche Ergebnis hat, insbesondere wenn es ein akustisch „interessanter“ oder „spezieller“ Raum ist, den ich spannend finde. Darüber hinaus ist für audiovisuelle Arbeiten aber auch für die Rezeption rein auditiver Werke die architektonische Qualität von Bedeutung, denn sie prägt sowohl die Erwartungshaltung als auch den emotionalen Untergrund jeder Aufführung. Und schlussendlich ist der Raum eine soziale Konstruktion. Welche Übereinkunft herrscht zwischen den Besuchern? Für Lumière ist die Arbeit mit gebauten Räumen ein wesentlicher Bestandteil der Planung, da wir mit Lasern Oberflächen bespielen und den Raum in seinen Proportionen erfahrbar machen.

 

Die Szenografie begreift sich als eine gestalterische Universaldisziplin, welche die Mittel der Architektur und des Designs (Grafik-, Licht-, Sound- und Medien-Design) orchestriert, um atmosphärische Raumnarrationen zu erschaffen. Ist dies eine Gestaltungshaltung, die sich auch in Ihrer Arbeit wiederfindet? Zum Beispiel, wenn Sie an die „GRID-Performance“ anlässlich des Fête des Lumières in Lyon 2013 denken, die Sie gemeinsam mit Christopher Bauder von WHITEvoid realisiert haben?

Wenn wir wie bei GRID ein großes, performativ audiovisuelles, kinetisches Objekt in einen Raum einbringen, ist das systembedingt eine Aneignung des Raums, die nicht mehr nur aus klassisch architektonischer oder konzertanter Sichtweise zu betrachten ist, sondern einen umfassenderen Ansatz benötigt. Die Position des Publikums in Relation zum Objekt ist kein statischer Prozess, da wir es nicht mit sitzenden Menschen zu tun haben, sondern erfordert ein Denken in dynamischen Systemen. Wo kommt das Publikum her, wie lange verbleibt es an welcher Position, etc. Diese Aspekte haben dann wiederum Auswirkungen auf wesentliche Details der restlichen Planung. Die Platzierung von Scheinwerfern und Lautsprechern ist dabei ein Teilaspekt.

 

Wie sieht Ihrer Meinung nach die ideale Soundscape der Zukunft aus und welche Rollen werden sowohl das Sound-Design als auch das Audio-Branding im Bereich der Kommunikation im Raum spielen?

Wir leben in einem Zeitalter kompletter und permanenter Reizüberflutung. Meine ideale Soundscape ist nicht additiv sondern subtraktiv. Die Frage darf nicht sein, welche Klänge hinzugefügt werden müssen, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, sondern wie die existierende Klangumwelt so gestaltet sein kann, dass die als wertvoll erachtete Teilaspekte besser wahrgenommen werden können. Additives Audiobranding ist albern, keine Marke braucht einen Sound, der nicht aus dem Produkt selbst hervorgeht. Funktionale Klänge sind ein ganz anderes Feld und hier sind spannende Dinge zu erwarten. Wenn wir wirklich in Zukunft Geräte per Sprachsteuerung bedienen wollen, werden wir mit Sicherheit nicht darauf warten wollen, dass die Maschine uns mit minutenlangen Antworten quält, sondern wichtige Informationen müssen mit kurzen Sound-Icons vermittelt werden. Wir stehen daher erst am Anfang einer Entwicklung, die mit der Ausformung visueller Icons im 20. Jahrhundert vergleichbar ist.


Vielen Dank für das Gespräch!

 

Zur Person

Robert Henke, Jahrgang 1969, entwirft und benutzt Maschinen zur Erschaffung von Klang, Form und Struktur. Seine treibende Kraft ist dabei die Faszination für die Anmut technischer Objekte: Das Entwickeln eigener Werkzeuge, Instrumente und Algorithmen ist ein wesentlicher Bestandteil des kreativen Prozesses. Sein Material sind computergenerierte Klänge, Field Recordings, Videos, Fotos und Licht – transformiert und moduliert durch mathematische Regeln, Echtzeit-Manipulationen und kontrollierten Zufall. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit lehrte Henke unter anderem an der Berliner Universität der Künste als Professor für Sound-Design, als Visiting Artist am Center for Computer Research in Music and Acoustics (CCRMA) der Stanford University in Kalifornien sowie dem Studio National des Arts Contemporains – Le Fresnoy in Lille, Frankreich.

FACTS

Person:

Robert Henke studierte Informatik und ist audiovisueller Künstler. Die Instrumente, mit denen er arbeitet, erschafft er selbst. Er ist Mitentwickler der Software „Ableton live“ und befasst sich mit Soundscapes.

Kontakt:

Robert Henke, Berlin > studio@roberthenke.com, www.roberthenke.com

Fotos:

Andreas Gockel, Robert Henke, Elena Vasilkova, Christopher Bauder