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Film- & Bühnenarchitektur

Filmrezension „Victoria“

POSTED 29.09.2015
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PLOT war im Kino! Gerade begeistert ein deutscher Film die Kinogemeinde und erregt dabei erhebliches Aufsehen: „Victoria“ lautet der Titel dieser Charakterstudie – realisiert in Form eines Trips durch das nächtliche Berlin. Für die Arbeit erhielten die Macher den Deutschen Filmpreis gleich in mehreren Kategorien. Also nichts wie rein in die Berliner Nacht und mit „Victoria“ auf die Tanzfläche des Lebens, die sich immer auch am Rande des Abgrunds befindet.

von Alexander Bischoff

Im hämmernden Strobo-Licht eines Berliner Clubs tanzt Victoria versunken. Sie ist allein unterwegs in der großen Stadt und versucht, Anschluss zu finden. Dies will ihr erst nicht so recht gelingen und ihre fröhliche und offene Art, die einen Hauch Verzweiflung spüren lässt, wird von ihrem Umfeld ignoriert. Schließlich weckt eine Clique von vier Jungs ihre Aufmerksamkeit. Der Anführer stellt sich als Sonne vor und die junge Frau folgt den fremden Männern durch die späte Berliner Nacht, die sie tiefgreifend verändern wird.

Der Film „Victoria“ entwickelt einen Sog, wie er selten im Kino erfahren werden kann – noch seltener im deutschen Kino! Diese filmische und schauspielerische Tour-de-Force müssen Interessierte auf der Großleinwand gesehen haben, um ihre Stärke begreifen zu können. Filme, um die sich ein Hype entwickelt, neigen oft dazu, bei der nachträglichen Betrachtung zu enttäuschen, da in den Medien und im Gespräch mit Freunden zu viele Erwartungen und Meinungen hochgestapelt wurden. „Victoria“ überrascht aber auch hier. Denn der Film und vor allem seine Darsteller lassen einen alle Kritik für die Dauer ihrer Geschichte vergessen, sobald man sich auf den Trip einlässt.

In der Presse und auf dem Filmmarkt wird dabei vor allem die Plansequenz-Auflösung des Films hervorgehoben: „Victoria“ besteht aus einem Take – 140 Minuten ohne Schnitt. Die Kameraarbeit ist also eine künstlerisch-sportliche Meisterleistung. Sie folgt Victoria aus dem Club in einen neon-beleuchteten Späti, über eine Feuerleiter an eine Dachkante, über die Straßen in ein Auto und immer tiefer in die Tragödie dieser Nacht. In einem Interview spricht der Regisseur Sebastian Schipper von der Kriegsberichterstatter-Kamera als stilistischen Ausgangspunkt. Die Bildkadrierung ändert sich in „Victoria“ so elegant und hinterlässt den Eindruck eines komponiert geschnittenen Films.

So erstreckt sich auch das Szenenbild über die Bewegungsräume der Kamera, also über die komplette Länge des Films. Für „Victoria“ musste ein szenografischer Parcours errichtet werden, der für die Handlung bereit war. Alles um die Kamera ist gestalteter Raum im realen Raum. So lässt sich der Film auch als eine Stimmungsfahrt durch die unterschiedlichen Räume und Orte betrachten. Und jene sind Atmosphäre-Spender: mal offen und weit, mal hoch, mal tief, mal hell, mal dunkel mal funktional und mal privat. Die Verortung der Charaktere im Raum ist in diesem Film sehr spannend, da die Zuschauer die Räume mit den Protagonisten betreten und verlassen. Die Bewegungsachsen der Kamera werden durch die Räume und ihre Lage mitbestimmt und die Kamerabewegung muss sich im Gegensatz zum Studiofilm dem Raum und seinen Anforderungen anpassen. Die Kamera wandert als unsichtbarer Beobachter mit den Schauspielern durch das riesige Spielfeld des Films.

Doch „Victoria“ ist viel mehr als eine technische Olympialeistung: Stückchenweise werden Hintergrundgeschichten von Victoria und den sympathischen Rabauken erzählt, die deren Handlungsweisen im Verlauf der Geschichte nachvollziehbar machen. Doch Victoria bleibt ein Rätsel: Obwohl wir immer mehr über sie erfahren, zeugt ihr Verhalten von einem dunklen Geheimnis. Im impulsiven Handeln der Charaktere offenbart der Film seinen Motor – seine Seele.

Die klassische Kunst der dramatischen Komposition und deren Schritte bis zur Katharsis lassen sich in „Victoria“ sehr genau beobachten. Der Film ist dramaturgische Kraft, die sich in schauspielerischer Improvisation auflöst, um auf der Leinwand als Kino wieder geboren zu werden. „Victoria“ entfesselt nicht nur die Kamera, sondern ist ein ernstzunehmender Versuch eines Befreiungsschlags des deutschen Kinos.

 

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Victoria

 

FACTS

Titel:

Victoria

Kinostart:

07.02.2015

Regie:

Sebastian Schipper

Drehbuch:

Anders Thomas Jensen

Szenenbild:

Ulrich Friedrichs

Kamera:

Sturla Brandth Grøvlen

Fotos:

Wild Bunch Germany > www.wildbunch-germany.de

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