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Film- & Bühnenarchitektur

Filmrezension „Birdman: Or (The Unexpected Virtue of Ignorance)“

POSTED 01.07.2015
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PLOT war im (Heim-)Kino! Natürlich durften wir dieses Schauspiel, das als eins der angesagtesten Filme der letzten Monate gilt und auf Festivals sowie in der Presse schon früh als heißer Oscar-Kandidat gehandelt wurde, nicht verpassen. Zurecht! „Birdman: Or (The Unexpected Virtue of Ignorance)“ ist stilistisches und technisches Hochleistungs-Autorenkino, das Zuschauer beeindruckt und polarisiert – eine Rezension über den Vogelmann und sein Labyrinth.

von Alexander Bischoff

Der mit wichtigen Preisen und Oscars versehene fünfte Langspielfilm des aus Mexiko-Stadt stammenden Radiomoderators und Filmemachers Alejandro González Iñárritu hat auf mehreren Ebenen anregendes und diskussionswürdiges Kino zu bieten. Die eher flache, romantisierend-naive Perspektive und den erstaunlich unkritischen Blick auf den angeschlagenen amerikanischen Traum in einer verkommenen Unterhaltungs- und Kulturindustrie lässt das illustre Ensemble durch sein dynamisch-komisches Schauspiel schnell in den Hintergrund geraten. Das Zusammenspiel von Raum und Kamera verleiht dem Film dabei seine schwindelerregende Dynamik und macht ihn für die szenografisch denkende Zuschauerreihe sehr interessant.
Stilistisches Kernstück dieser kurzatmigen und aufgeregten Satire bilden die handwerklich sehr aufwändigen Steadicam-Plansequenzen durch die engen, verschachtelten Zimmer, Gänge und Bühnenräume eines miefigen Broadway-Theaters. Darin versucht sich ein heruntergewirtschafteter Superheldendarsteller an echter Bühnenkunst, um sein verkorkstes und bedeutungsloses Dasein in einer letzten, verzweifelten Neuerfindung in das eines sinnvollen Künstlers, Vaters und Menschen zu verwandeln. In diesem filmischen Labyrinth des bröselnden und versifften Theatergebäudes schwillt im ehemaligen Superstar die ständig präsente Angst des Scheiterns. Wobei sich sein angestacheltes Ego, das von den einstigen Popcorn-Kino-Erfolgen zum gottähnlichen Überwesen mutierte – verkörpert durch den kostümierten Birdman und visualisiert durch übermenschliche Heldenfähigkeiten, die dem Protagonisten in seiner Fantasie zur Verfügung stehen – vehement gegen seine Überwindung wehrt.

Wie sein Protagonist geht auch der Regisseur mit diesem Film auf volles Risiko, in dem er alles dem Raum und der Bewegung der Kamera durch diesen unterwirft. „Birdman“ ist eine überaus komplexe Arbeit über die Befreiung und Entfesselung der Kamera, was einer Gefangennahme der Schauspieler und der Technik in den Abläufen gleichkommt. Dass die Darsteller innerhalb eines solchen inszenatorischen Schweizer Uhrwerks Leichtigkeit und Spielfreude vermitteln, verdankt „Birdman“ der rasiermesserscharfen Professionalität erstklassiger Hollywood-Schauspieler. Für diese Art der Inszenierungsarbeit benötigte Iñárritu eine 360-Grad-Szenografie: Ein Spielfeld mit vierten Wänden, in dem sich die Kamera durch die Räume und um die Darsteller wie ein getriebener Geist bewegen kann. So entsteht eine fast unerträgliche Achterbahnfahrt um die Egos im hermetischen Schutzraum des Theatergebäudes, die zwischendurch für kurze Momente der Ruhe zum Dach des Gebäudes – wie für ein Atemholen – anhält.

Filmemacher wie Alfred Hitchcock, Alain Resnais, Michelangelo Antonioni, Andreij Tarkowski, Stanley Kubrick und in jüngerer Zeit David Fincher oder Gaspar Noé haben sich in ihren Filmen mit der bewegten und befreiten Kamera als künstlerisches Ausdrucks- und Stilmittel auseinandergesetzt. Es verwundert also nicht, dass diese Regisseure den Ruf haben, filmtechnisch sehr versiert zu sein, denn diese Art der technischen Inszenierung ist für alle Beteiligten sehr anspruchsvoll in Planung und Umsetzung: Schauspieler und Technik müssen auf den Millimeter genau abgestimmt und auf den (räumlichen) Punkt so präzise wie möglich für das Kameraobjektiv in Szene gesetzt werden. In „Birdman“ geht dieses Regiekonzept auf: Der Filmraum wird zum Seelenraum, zum Traum- und Alptraumfänger für die Charaktere, aber auch für die Sehnsüchte des Regisseurs und mancher Zuschauer nach einem Wiederauferstehen des Phönix aus der Asche des amerikanischen Independent-Kinos, jenseits der Comic- und Fantasy-Blockbuster-Kino-Events.

 

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FACTS

Titel:

Birdman: Or (The Unexpected Virtue of Ignorance)

DVD-Start:

30.06.2015

Regie:

Alejandro González Iñárritu, Mexico-Stadt (MEX)

Drehbuch:

Alejandro González Iñárritu, Nicolás Giacobone, Alexander Dinelaris Jr. und Armando Bo

Kamera:

Emmanuel Lubezki

Szenenbild:

Kevin Thompson

Fotos:

20th Century Fox > www.fox.de/birdman

Links: