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Ausstellungsgestaltung

200 und 20

POSTED 27.05.2015
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Bücher auf Reisen – Die Gestaltung der Ausstellung „200 und 20“ im Jüdischen Museum Wien

Der Titel der Ausstellung verweist auf die wechselvolle Geschichte einer Bibliothek, die einst eine der bedeutendsten jüdischen Gemeindebibliotheken war. Sie entstand 1814 aus einer Schenkung hebräischer Druckwerke an die jüdische Gemeinde Wiens, wurde während der NS-Zeit bis auf einen kleinen Restbestand aufgelöst und 1994 – als Bibliothek des Jüdischen Museums Wien – neu gegründet.

Den besonderen Charakter dieser jüdischen Bibliothek in der „Diaspora“ betont die Ausstellungsgestaltung: Umfang und Zusammensetzung der Bibliotheksbestände waren starken Schwankungen unterworfen. Eine wesentliche Rolle spielten Schenkungen, Zukäufe, Rückholungen und Wiederbeschaffungen. Die Gestaltung deutet diese Vorgänge als „Reisen“, welche die Exponate durchlaufen mussten, bevor sie an ihrem (vielleicht wieder vorläufigen) Bestimmungsort – der Bibliothek des Jüdischen Museums Wien – ankamen. Ein weiterer Aspekt, den die Gestaltung hervorhebt, ist die unterschiedliche Funktion, welche die Bücher als Teil eines Bibliotheksbestands und als Exponate einer Ausstellung einnehmen. In der Bibliotheksumgebung finden Leser die gesuchten Schriftdokumente anhand von Listen und Verzeichnissen und ein Buch begegnet ihnen hier als Buchrücken oder Buchtitel. Anders in der Ausstellung: Als Ausstellungsexponate repräsentieren sie die verschiedenen Sparten und Fachbereiche der Bibliothek und die Besucher treffen auf das Innenleben der Bücher, die aufgeschlagen gezeigt werden.

Diese Referenzpunkte der Ausstellungsgestaltung, die „Reisen“ der Bücher, das exemplarische Zeigen eines „Sortiments“, das Aufschlagen der Bücher, um ihr Inneres auszustellen, führen zu einer sehr einfachen Ausdrucksform: Fünf aufklappbare Schatullen werden auf einem Wandbord geringer Tiefe aufgelegt. Die Behälter aus hellem Fichtenholz werden für die Ausstellung geöffnet und das „Sortiment“ der Bibliothek – die im Inneren der Korpushälften angebrachten Bücher – gezeigt. Schräg gegen die Wand gelehnt, werden die geöffneten Schatullen so selbst zu großen „Büchern“.

Neben die Schatullen sind die kommentierenden Ausstellungstexte wie große Lesezeichen gestellt. Die Ausbildung der Textelemente als „Textsäulen“ verweist auch auf eine archaische, ursprüngliche Funktion der Schrift – die Aufzeichnung von Regeln und Gesetzen.

In geschlossenem Zustand erinnern die hölzernen Schatullen an Transportbehälter. Eine miniaturisierte Containerkiste, aus der eine Verschickungsliste ragt, verweist auf die Verschiffung zahlreicher Bücher der Bibliothek nach Jerusalem in den Nachkriegsjahren und zeigt auf, dass ein Fortbestand oder Neuaufbau der Bibliothek noch in den 1950-er Jahren unwahrscheinlich erschien.

Bauweise und Gestaltung der Holzbehälter beziehen sich auch auf die aufklappbaren hölzernen Buchverkaufsstände der Pariser „Bouquinistes“, die an den Ufern der Seine ihre Ware präsentieren – eine ursprünglich provisorische, mobile Einrichtung.

FACTS

Projekt:

Ausstellung „200 und 20“, Wien

Gestaltung:

Bernhard Denkinger, Wien > www.denkinger.at

Kurator:

Domagoj Akrap

Standort:

Jüdisches Museum der Stadt Wien > www.jmw.at,
Dorotheergasse 11, A-1010 Wien

Zeitrahmen:

26.11.2014 – 07.04.2015

Fotos:

1 bis 6 – Andreas Buchberger, Wien > www.andreasbuchberger.net
7 – Ulrike Felber, Verkaufsstände der „Bouquinistes“, linkes Seine-Ufer
8 – Ulrike Felber, Bernhard Denkinger vor einem aufklappbaren Verkaufsstand der Pariser „Bouquinistes“, Anfang 2015
9 – Bernhard Denkinger