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Interviews

BERND STEINHUBER ÜBER KUNSTVOLLE HANDARBEIT IM MESSEWESEN

POSTED 28.10.2016
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„Marken können sich selbst als kreativ beschreiben oder kreative Dinge tun, wobei tun weit mehr Sinn ergibt!“

 

Dank eines Baugerüsts in unterschiedlichen Ausführungen sowie einer Installation aus zementgebundenem Plattenwerkstoff, Sperrholz, Metall und MDF konnten die Besucher der Light + Building 2016 auf dem Messestand von Wever & Ducré nicht nur in eine andere Lichtwelt eintauchen, sondern gleichzeitig erleben, wie sich der 300 Quadratmeter große Auftritt in ein Kunstwerk verwandeln ließ: Der Wiener Street-Art-Künstler KNARF arbeitete über die gesamte Messedauer kontinuierlich an der Rückwand des Stands und schuf damit eine unkonventionelle Bühne, mit welcher der Leitsatz des belgischen Unternehmens abermals unterstrichen wurde: „FROM BELGIUM WITH LOVE!“ Wie der verantwortliche Architekt Bernd Steinhuber dabei die Bedeutung und Entwicklung von liebevoller Handarbeit im Bereich des Messewesens einschätzt, hat er uns im Interview verraten.


Die Fragen stellte Sabine Marinescu.

 

Bernd Steinhuber, Ihre Inszenierung für Wever & Ducré auf der Light + Building 2016 bestach durch außergewöhnliche, improvisiert wirkende Akzente und stand damit im Gegensatz zu vielen umliegenden „cleanen“ Standarchitekturen. Sehen Sie darin eine Entwicklung hin zum Handgemachten, Unfertigen?

Tatsächlich sehe ich zukünftig eine Entwicklung in diese Richtung und es gibt viele Marken, die sich „atypisch“ zeigen könnten, jedoch fehlt noch – sowohl von Unternehmern als auch von Gestaltern – der Mut zu diesem Schritt. Allerdings bin ich sicher, dass dieser mit jedem gelungen Beispiel größer wird! Zudem sehe ich auch die Notwendigkeit für eine solche Inszenierung, um sich als Marke in der Bilderflut an Ähnlichem nicht zu verlieren. Dabei ist „unfertig und handgemacht“ aber nur eine von vielen Strategien – wenn auch eine sehr wirkungsvolle und noch dazu kostenschonende!

 

Bei dieser Präsentation stellt sich unweigerlich die Frage, ob auch der Messeaufbau reine Handarbeit war?

Handarbeit war für uns ein zentrales Thema! Da viele der Objektleuchten von Wever & Ducré in Handarbeit gefertigt werden, haben wir nach einem Stilmittel gesucht, mit dem wir den Bogen zum Produkt spannen können. Gleichzeitig wollten wir einen gestalterischen Gegenpol, der diametral in eine andere Richtung zeigt: Wir wollten etwas Industrielles, Vorgefertigtes, Systematisches. In Summe sollte daraus etwas entstehen, das selbstverständlich, situativ, faszinierend und gleichzeitig unterhaltend für die Besucher ist. Genau diese Selbstverständlichkeit konnten wir durch das Baugerüst erreichen. Zum einen wurde es seinem eigentlichen Zweck entsprechend verwendet – nämlich hoch oben liegende Wandflächen zu erreichen – zum anderen wurde es zum „Regal“ für die Leuchten und ganz neue, räumliche Nutzungsmöglichkeiten konnten so entstehen. Zum Beispiel der bauliche Rahmen für ein Kunstwerk: Der österreichische Street-Art-Künstler KNARF brachte – selbstverständlich in Handarbeit – über die gesamte Laufzeit der Messe ein zwölf auf sechs Meter großes Bild auf eine Wand innerhalb der Gerüststruktur auf. Dabei war die einzige Vorgabe des Auftraggebers, den Claim „FROM BELGIUM WITH LOVE!“ einzubeziehen. Marken können sich selbst als kreativ beschreiben oder kreative Dinge tun, wobei tun weit mehr Sinn ergibt …

 

Durch dieses, während der Messe fertiggestellte, Kunstwerk veränderte sich auch der Stand kontinuierlich. Wie kam es zu dieser dynamischen Inszenierung und wie hat sie sich entwickelt? Was waren die Herausforderungen?

Die größte Herausforderung bestand darin, überhaupt einen Street-Art-Künstler zu finden, der mit dem Pinsel malt. Denn vom Sprayen war das Messebüro – wen wundert’s – nicht besonders begeistert. Nein, ganz im Ernst: Die eigentliche Herausforderung war, die gesamte Geschichte um diesen Auftritt zu erzählen: KNARF hatte in unserem Auftrag anlässlich der Art Basel in Miami einen ersten Teaser für die Marke geschaffen, in dem er ein ganz ähnliches Werk in den öffentlichen Raum gebracht hat. Mit den Bildern von der Entstehung bis zur Fertigstellung bewarben wir bereits im Vorfeld Wever & Ducré in den digitalen Medien. Fotos dieser künstlerischen Intervention wurden dann auch noch als aktuelles Katalog-Cover des Unternehmens genutzt. So wurde daraus eine Erzählung in Bildern und Medien – und zwar vor, während und nach der Messe. Und dies entspricht eben genau unseren Vorstellungen, denn wir verstehen Messestände als ein Kommunikationswerkzeug, das nicht nur als „schönes Foto“ verwendbar sein soll. Gerade durch die sozialen Netzwerke entstehen, sofern die Strategie stimmt, großartige Möglichkeiten, die Menschen an der richtigen Stelle abzuholen – und das weit über die wenigen Messetage hinaus. Diese Vorgehensweise haben wir zwar nicht erfunden, aber wir nutzen sie!


Bernd Steinhuber, vielen Dank für das Gespräch!

 

Zur Person
Bernd Steinhuber, Jahrgang 1972, studierte zunächst Architektur an der TU Graz, bevor er gemeinsam mit Martin Lesjak, Andreas Reiter und Peter Schwaiger 1999 das Architekturbüro INNOCAD in Graz gründete. Seit 2009 existiert nun sein eigenes Atelier – Atelier Bernd Steinhuber in Wien – wo er sich gleichwohl mit Produkten, Grafik und (Innen-)Architektur auseinandersetzt.

FACTS

Kontakt:

Atelier Bernd Steinhuber, Wien (AT) > www.berndsteinhuber.com

Fotos:

Atelier Bernd Steinhuber, Wien (AT) > www.berndsteinhuber.com
Paul Ott, Graz (AT) > paul-ott.at