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Interviews

KATHARINA STEIN ÜBER THEMEN, TRENDS UND ENTWICKLUNG DER EVENTBRANCHE

POSTED 23.06.2016
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„Ich denke, dass Live-Kommunikation dem Menschen am nächsten ist: Er begreift am besten, wenn er möglichst alle Sinne nutzt. Bei einer Veranstaltung können Besucher gleichzeitig fühlen, riechen, sehen, hören und schmecken. Im Idealfall kommuniziert dann wirklich alles eine beabsichtigte Aussage, Emotion oder Botschaft.“

 

2009 gründete Katharina Stein gemeinsam mit Henning Stein den eveosblog. Mit Herzblut und Begeisterung berichtet sie hier über Themen und Trends der Live-Kommunikation. Sie begleitet branchenrelevante Messen und Konferenzen, spricht mit Lesern sowie Experten und sammelt Inspirationen rund um die Konzeption und Umsetzung von Marketing-Events. Mit diesem Schwerpunkt soll der Fachblog aber auch regelmäßig einen Blick über den Tellerrand in angrenzende Marketingdisziplinen, Branchen und Themen bieten. Wie sie die gesamte Eventbranche einschätzt und was sie so sehr an ihr fasziniert, hat sie uns im Interview verraten.


Die Fragen stellte Janina Poesch.

 

Katharina, Du hast Psychologie, Soziologie und Politikwissenschaft an der RWTH Aachen studiert, was hat Dich schlussendlich in die Eventbranche verschlagen und was fasziniert Dich so sehr an ihr?

Wie so oft im Leben hat sich vieles einfach ergeben: Schon während meines Studiums habe ich in der Hotellerie, Gastronomie und der Eventbranche gearbeitet. Das war mein erster Kontakt mit dem Thema. Danach kamen weitere berufliche Erfahrungen im Eventbereich, aber auch in den Bereichen PR und Marketing dazu. Ich habe die Eventbranche von Anfang an überdisziplinär erlebt und das hat mich schnell begeistert. Dabei finde ich viele Facetten der Live-Kommunikation faszinierend, unter anderem die Komplexität der Organisation: Die vielen Menschen, die einzeln und doch gemeinsam auf einen Tag hinarbeiten und unter Hochdruck ein hoffentlich großartiges Erlebnis schaffen. Das ist auch ein Erlebnis für die Menschen hinter den Kulissen.
Events sind aber auch aus psychologischer und soziologischer Sicht unglaublich faszinierend: Sie sind eine Art zeitlich und räumlich komprimierte Feldstudie. Wie kann ein bestimmtes Verhalten unterstützt werden? Was nimmt der Mensch wie multisensorisch wahr? Welche Unterschiede gibt es je nach Mensch und Kultur? Es ist mir ein Rätsel, dass in diesem Bereich so wenig geforscht wird!
Auf ganz persönlicher Ebene, reizt mich aber auch das detailverliebte Erforschen der Menschen und Einflussfaktoren. Viele Eventmanager sagen, sie hätten eine Leidenschaft dafür, anderen eine Freude zu machen. Das wirklich spannende ist für mich allerdings, wie diese Freude und andere Ziele erreicht werden können. Es ist dieser Entdeckungsdrang, die feinen Details aufzustöbern, damit die Besucher möglichst individuell berührt werden sowie die Leidenschaft, sich mit Menschen, Hintergründen und Prozessen gezielt auseinanderzusetzen, sich in sie einzufühlen und die richtigen Stellschrauben zu finden, um Begeisterung, neue Sichtweisen oder Motivation auszulösen. Schade ist, dass sich Eventmanager häufig mehr um das Equipment, die Show oder einen reibungslosen Ablauf kümmern (müssen), als um diese zwischenmenschliche, hochkomplexe und faszinierende Komponente. Für mich persönlich ist es aber genau das, was Eventmarketing und meine Faszination ausmacht.

 

Mit welchen Begriffen würdest Du Live-Kommunikation beschreiben?

Fachübergreifend, komplex, anspruchsvoll, multisensorisch, ganzheitlich erlebbar, direkt, nah am Menschen und für Kreative eine breit gefächerte Spielwiese.

 

Es heißt, die Live-Kommunikation ist die höchste Form des Marketings. Stimmst Du dieser Aussage zu?

Ob es die „höchste Form“ ist, möchte ich nicht bewerten. Das denkt sicher jeder von seinem Fachbereich. Aber ich denke, dass Live-Kommunikation dem Menschen am nächsten ist: Der Mensch begreift am besten, wenn er möglichst alle Sinne nutzt. Bei einer Veranstaltung können Besucher gleichzeitig fühlen, riechen, sehen, hören und schmecken. Im Idealfall kommuniziert dann wirklich alles eine beabsichtigte Aussage, Emotion oder Botschaft: vom Bodenbelag über die Freundlichkeit des Personals bis zum dramaturgischen Ablauf. Das macht das Erlebnis besonders tief, es wird lange erinnert und besser im Gehirn verarbeitet. Dies bietet in der Summe tatsächlich keine andere Form des Marketings. Allerdings erzeugt diese Fülle an Kommunikationsmöglichkeiten auch eine große Komplexität. Es sind unheimlich viele, verschiedene Faktoren, die im Zusammenspiel wirken, die für eine durchdachte Live-Kommunikation gezielt eingesetzt werden müssen: von der Wirkung der Raumgestaltung und der Dramaturgie, über soziale, kulturelle Regeln, aktuelle gesellschaftliche Trends, bis zu Verkaufsstrategien und zeitgemäßem Marketing – um nur ein paar zu nennen. Für ein ganzheitlich und gezielt ausgerichtetes Event braucht es also eine Menge spezifisches und fachübergreifendes Wissen.

 

Was denkst Du: Sind Berufe und Jobs in der Live-Kommunikation sehr beliebt?

Meines Erachtens, gibt es hier zwei Seiten: Der operative Teil der Live-Kommunikation ist tatsächlich beliebt. Es gibt viele gut besuchte private sowie staatliche Ausbildungsmöglichkeiten, um das Organisieren und Managen von Veranstaltungen zu erlernen. Doch die Live-Kommunikation hat auch eine kreative Seite, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und zu einem neuen Aufgabenbereich geführt hat: dem Konzeptioner. Noch lange nicht alle, aber immer mehr Agenturen unterscheiden mittlerweile zwischen den Berufsbildern Event-/Projektmanager und Konzeptioner. Das ist auch sinnvoll, da sich das Aufgabenfeld eines Konzeptioners stark von dem eines Eventmanagers und dem, was er in der Ausbildung lernt, unterscheidet. Hier sind eher künstlerische, kreative und gestalterische Talente und Fähigkeiten gefragt, weniger die organisatorischen. Und diesem kreativen Bereich mangelt es aktuell an guten Nachwuchskräften. Ich denke, das liegt hauptsächlich daran, dass die Branche unter jungen Kreativen nicht als Kreativdisziplin bekannt ist. Das war sie lange Zeit nicht und ist sie auch heute noch nicht gänzlich. Problematisch daran ist, dass junge Querdenker am effektivsten mit spannenden, innovativen Projekten gelockt und von der Branche überzeugt werden können. Wir brauchen also mehr kreative Eventprojekte, um Kreative zu erreichen, die eigentlich für dieses Mehr an kreativen Events gesucht werden. Das ist eine sehr schwierige Lage! Trotz allem ist der kreative Nachwuchs aber sehr wichtig für die Zukunft und Position der Eventbranche. Daher müssen wir dranbleiben, mit mehr Exzellenz und einem facettenreichen und unglaublich interessanten Aufgabenbereich den Nachwuchs gezielt anzusprechen.

 

Dementsprechend ist immer wieder zu hören, dass die Eventbranche in der Krise steckt. Empfindest Du das auch so?

Auch hier gibt es zwei Perspektiven: Eigentlich sind analoge Erlebnisse aktuell sehr gefragt und mit der digitalen Kommunikation ist auch ihre Bedeutung stark gestiegen. Die Menschen lechzen bei all den virtuellen und digitalen Bestandteilen ihres Lebens nach „echten Erlebnissen“. Das haben auch die Unternehmen erkannt. Von Krise kann aus dieser Sicht also nicht die Rede sein.
Eine Krise lässt sich eher erahnen, wenn wir die Strukturen und Vorgehensweisen klassischer Events anschauen: Lange Zeit ging es vornehmlich um logistische Abläufe und eine gute Show. Strategische, inhaltliche und langfristig verfolgte Ziele gehören nicht unbedingt zum Standard Marketing-Event dazu. Daran sind natürlich auch die Kunden ein Stück weit beteiligt, denn auch sie geben sich zu oft mit einer beeindruckenden Show zufrieden, anstatt konkret nach Sinn und Wirkung zu fragen. So gehen wir aber die Gefahr ein, Budgetkürzungen als erstes zum Opfer zu fallen. Die Eventbranche steht vor der Aufgabe, den Wert, die Sinnhaftigkeit und die Wirkung von Marketing-Events in der Außenkommunikation, in der Beratung und in der Praxis stärker in den Fokus zu rücken, um die eigene Position und Bedeutung langfristig zu stärken. Ein anderes Krisenfeld ist die Kreation. Mit wachsender Nachfrage nach analogen Erlebnissen stehen klassische Eventagenturen unter Druck, denn sie müssen immer öfter mit den großen Kreativagenturen konkurrieren, die im Rahmen der Werbeetats auch diesen Bereich manchmal mitbetreuen. Auch Agenturen für Kommunikation im Raum mischen im Eventmarkt mit. Und beide setzen die Messlatte in Bezug auf Kreativität und Design höher als je zuvor. Bei Awards wie dem ADC Wettbewerb stammen zum Beispiel viele Gewinner-Projekte in der Kategorie Event gar nicht von klassischen Live-Kommunikationsagenturen. Wenn wir die Kreation und Konzeption auf Dauer nicht anderen Agenturen überlassen möchten, muss das kreative Niveau steigen!

 

Was macht Deiner Meinung nach, ein Event zu einem erfolgreichen Event? Gibt es ein absolutes Erfolgsrezept?

Ein erfolgreiches Marketing-Event hinterlässt etwas bei seinen Besuchern. Und damit meine ich nicht den Eindruck, dass es ein schöner Abend war. Vielmehr sollte es zum Beispiel die Sicht auf den Veranstalter ändern, die Bindung erhöhen, die Motivation steigern oder den Informationsstand erweitern. Eine Basis dafür, ist ganz sicher die konsequente Ausarbeitung und Ausrichtung auf die eigenen Ziele sowie auf den Besucher. Warum veranstalte ich dieses Event und was soll es bei den Besuchern bewirken? Wie die Lösung nachher aussieht, ist dann erstmal egal. Die Grundlage jedes guten Events ist demnach die ausführliche Ergründung und Beantwortung dieser beiden Fragen.
Bei der Überlegung, wie sich die eigenen Ziele erreichen lassen, sollten klassische „Do’s and Don’ts“ meiner Meinung nach, ausgeblendet werden. Viele Events finden nach dem gleichen Schema statt. Das ist auch manchmal passend, aber mir scheint, dass es den Vorstellungsrahmen aller Beteiligten stark eingrenzt. Sowohl Eventler als auch Kunden überschreiten nur sehr selten klassische, gelernte Muster. Events von Außenstehenden – also Veranstaltern, die eigentlich gar nicht aus der Eventbranche kommen – gehen nicht selten unbefangener an Eventkonzepte heran. Es gibt nichts, das grundsätzlich so sein muss oder das ausgeschlossen wäre. Sie haben weniger gelernte Muster im Kopf, die ganz automatisch auftauchen. So entstehen neue, untypische Ansätze und Ideen. Sie erfinden das Rad auch nicht immer gänzlich neu, aber sie wagen Schritte, die sich andere nicht trauen: Wie zum Beispiel im Fall der Unkonferenzen, die den Mut beweisen, die Teilnehmer wirklich zu integrieren und ihnen die inhaltliche Gestaltung zu überlassen. Natürlich haben diese Veranstalter auch keine Auftraggeber, die einen begrenzten Rahmen und häufig ein ähnliches Schema vorgeben. Aber das ist aus kreativer Sicht auch ein Teufelskreis, von dem sich alle regelmäßig freimachen müssen, um auf außergewöhnliche und innovative Ideen zu kommen.

 

Gehört die Architektur zum Eventmarketing? Welche Rolle spielen Raum und Gestaltung bei der Inszenierung von Events?

Ein Event ohne Raum gibt es nicht. Jeder Raum – ob bewusst gestaltet oder nicht – hat Einfluss auf das Event und die sich darin befindenden Personen. Eine Veranstaltung sollte daher ein ganzheitliches und konsistentes Erlebnis sein, das den Raum ebenso konzeptionell einschließt wie unter anderem die Dramaturgie oder zwischenmenschliche Interaktionen.
In den letzten Jahren ist diese Rolle des Raums merklich gewachsen: Die Grenzen zwischen Event und Raumgestaltung sind fließend. Immer mehr Vorzeige-Projekte, wie sie auch im Eventdesign Jahrbuch zu finden sind, haben einen starken Fokus auf die räumliche Komponente. Manchmal ist es sogar fast nur die innovative oder sehr interaktive Raumgestaltung, die ein Event auszeichnet. Natürlich kann der Raum schon alleine ein Erlebnis sein, sofern wir uns aber von der Kommunikation im Raum abgrenzen möchten, sollte auch die zwischenmenschliche Dramaturgie und Interaktion überzeugen und im Fokus stehen.

 

Bei genauer Betrachtung der meistens Events, bei denen ein Feuerwerk das nächste jagt, drängt sich oft die Frage auf: Ist gute Live-Kommunikation mit kleinem Budget überhaupt möglich?

Natürlich! Gerade kleine Budgets bringen öfter kreativere Ideen hervor als große. Denn in diesem Fall werden gezielte Lösungen gefunden und sich wirklich auf den inhaltlichen Kern fokussiert, anstatt einfach nur lasterweise Equipment vorzufahren. Gerade in der heutigen Zeit, da Menschen überladen werden mit „einzigartigen“ Events, stellt sich sowieso die Frage, ob diese Inszenierungs-Feuerwerke überhaupt noch jemanden berühren. Wenn wir uns die aktuellen gesellschaftlichen Trends und wachsenden Bedürfnisse der Menschen anschauen, geht es da meistens um die Besinnung auf das wichtigste, um echte und authentische Kontakte und um ehrliche zwischenmenschliche Gesten. Letztes Jahr war ich auf einem Event, bei dem mich der Chef am Empfang persönlich begrüßt und mir mein Namensschild gereicht hat – keine Hostess, kein Mitarbeiter. Das war für mich eine besondere Geste, die nachhaltig Eindruck hinterlassen hat. So etwas ist nicht nur günstiger, meiner Meinung nach ist es auch viel wirkungsvoller.
Allerdings möchte ich noch ergänzen, dass es nicht nur um die Größe der Budgets geht, sondern auch um die Verteilung: Der Großteil fließt in Equipment, Catering und Show-Acts. Nur wenig oder deutlich weniger dagegen in die inhaltliche und kreative Arbeit. Doch richtig gute, gezielte Ideen brauchen Fachwissen, Erfahrung, Zeit und Manpower. Sie sind auch viel wertvoller als jede Hochglanzoptik und verdienen ein angemessenes Budget. Firmen sollten die Budgets daher auch in die entsprechenden Bereiche umschichten – weg von großen Materialschlachten hin zu kreativer, inhaltlicher Arbeit. In der Gesamtrechnung kann dies dann tatsächlich auch günstiger sein, muss es aber nicht.

 

Welche Rolle spielt Deiner Meinung nach die Nachhaltigkeit im Veranstaltungsmarkt? Lassen sich Events überhaupt „grün waschen“?

Ich persönlich halte Nachhaltigkeit für sehr wichtig. Die Rolle, die sie in der Live-Kommunikation spielt, hat aber zwei Seiten. Medial gehört sie ganz sicher zu einem der bestimmenden Themen in der Branche. Die Praxis spiegelt dies allerdings nicht wider.
Eine kleine Gruppe von Agenturen und Firmen engagiert sich diesbezüglich intern und versucht auch Kunden proaktiv nachhaltigere Angebote zu machen. Das ist großartig! Auch manche Unternehmen erwarten schon standardmäßig nachhaltige Maßnahmen oder Zertifikate von Locations oder Hotels. Erfreulich ist, dass ich von ausländischen Convention Bureaus schon öfter gehört habe, dass besonders deutsche Veranstalter mehr Nachhaltigkeit einfordern. Im deutschen Markt tut sich also etwas und wir scheinen auch das Ausland zu beeinflussen. Doch die große Mehrheit geht das Thema entweder oberflächlich und mit marketingorientierten Zielen an oder ignoriert es komplett. Die Bedeutung des Themas ist den meisten Menschen wohl bewusst, in der beruflichen Praxis ist es aber anscheinend schwer, eigene Strukturen und Arbeitsweisen zu ändern sowie Kunden davon zu überzeugen. Der Kunde möchte eine gute Show für möglichst wenig Geld. Nachhaltigkeit spielt da meistens keine Rolle. Dabei birgt dieser Bereich so viele Vorzüge: von finanziellen Anreizen über mehr Motivation der Mitarbeiter und Besucher bis zu imagebildenden Vorteilen.
Komplett „grün waschen“ lassen sich Events aber natürlich nicht. Wir sind uns alle bewusst: Ein wirklich ökologisch nachhaltiges Event, ist eines, das nicht stattfindet. Events, die sich als „klimaneutral“ verkaufen, betreiben Augenwischerei. Auch wenn alle Emissionen kompensiert werden, sie sind damit nicht aus der Welt. Ablasshandel bringt uns nicht weiter. Doch es ist ein menschliches Bedürfnis zusammenzukommen, gemeinsam zu feiern oder etwas zu erleben. Nachhaltigkeit soll nicht dazu führen, dass wir alle nur noch zu Hause bleiben und keinen Spaß haben. Ziel ist es, unser Bewusstsein zu schärfen und uns anzuhalten, dort, wo es uns möglich ist, unser Verhalten zu überdenken – ökologisch, sozial und ökonomisch! Ehrlich gesagt, haben wir gar keine andere Wahl, wenn wir einen zumindest ähnlichen Zustand wie heute für uns und folgende Generationen erhalten möchten. Es gibt viele Bereiche unserer Branche in denen wir auch mit relativ wenig Aufwand etwas ändern können! Wenn wir das in allen Bereichen Stück für Stück und konsequenter tun, ist schon viel erreicht!

 

Mit welchen Themen wird sich die Eventbranche in den kommenden Jahren konfrontiert sehen und auseinandersetzen müssen? Welche Trends lassen sich daraus ablesen?

Das ist schwer zu sagen, weil es aktuell so viele verschiedene Strömungen und Richtungen gibt. Da sind natürlich die üblichen Verdächtigen: unter anderem neue Technologien, digitale und soziale Medien, die Verbindung von realen und virtuellen Erlebnissen, stärkere, interaktive Einbindung der Gäste, Gamification, Nachhaltigkeit, Authentizität und einige mehr. Diese jeweils für sich stehenden Themen werden uns auch die nächsten Jahre beschäftigen, da hier in Sachen Sinn- und Ernsthaftigkeit noch Luft nach oben ist.
Besonders interessant finde ich jedoch, dass sich diese Entwicklungen teilweise auch widersprechen. Zum Beispiel die wachsende Bedeutung von digitalen Medien und die gleichzeitig steigende Anzahl von Events, die bewusst auf neue Technologien verzichten und sich auf einfache, natürliche oder zwischenmenschliche Elemente fokussieren. Aktuell ist alles davon spannend und vermeintlich wichtig. Daher möchten Veranstalter und Kunden nicht selten alles irgendwie unterbringen – ob es sinnvoll ist oder nicht.
In Zukunft sollten und werden wir uns aber gezielter entscheiden müssen. Die Herausforderung liegt dann darin, die Elemente bewusst auszuwählen, sinnvoll einzusetzen und miteinander zu verknüpfen. Ein stärkerer Fokus, inhaltlich sowie in Bezug auf die Werkzeuge, ist wirkungsvoller. Es benötigt Mut, sich auf eine Sache zu konzentrieren und auf andere bewusst zu verzichten. Die Menschen sind schon heute mit der Menge an Informationen überfordert. Dieser Fokus und Verzicht bietet uns als Besuchern etwas Ruhe in unserer hektischen Welt. Ich bin der Meinung: Lieber eine Sache richtig erleben, als viele nur im Ansatz! Vielleicht führen diese verschiedenen Wahlmöglichkeiten auch dazu, dass künftige Events vielseitiger werden und es mehr sowie unterschiedlichere Formate und Ansätze geben wird.

 

Was glaubst Du: Wie sehen die Eventagenturen der Zukunft aus?

Gute Frage! Ich denke, Eventagenturen der Zukunft sollten sich interdisziplinärer aufstellen und vernetzter arbeiten. Kollaborationen mit fachübergreifenden Experten und Kreativen werden in allen Bereichen immer wichtiger. Nicht nur, wenn es um Inspiration und neue Ideen geht, sondern auch um eine qualitativ hochwertige, integrierte Kommunikation. Gerade Events sind hierbei ein Bindeglied vieler Marketingaktivitäten – heute mehr denn je. Sie bilden nicht selten eine Grundlage für Social Media, Online- und Content Marketing oder eine Plattform für Kundenbindung, Verkaufsaktivitäten und Öffentlichkeitsarbeit. Mit dem wachsenden Werbedruck und der sinkenden Aufmerksamkeit der Menschen, steigen die Ansprüche der Firmen. Marketing muss gezielter, durchdachter und integrierter sein, damit es überhaupt noch wirkt. Einfach nur einen netten Abend mit tollen Show-Acts perfekt zu organisieren, das alleine reicht immer seltener aus. Dementsprechend muss auch eine Eventagentur künftig in allen Bereichen gut informiert sein und über entsprechende Netzwerke verfügen.

 

Social Media gehört zur Kommunikation heute ohne Frage mit dazu. Wie lassen sich soziale Netzwerke bei der Inszenierung eines Events gekonnt und sinnvoll integrieren? Kurz gesagt: Wie lässt sich eine Event-Location mit einem Smartphone-Screen vereinen?

Das kommt natürlich immer auf den jeweiligen Fall, auf die Ziele, Zielgruppe und Inhalte an! Manchmal kann es völlig ausreichen, ein Live-Event über soziale Medien zu promoten, Fotos und interessante Inhalte zu posten und den Teilnehmern einen Hashtag zum Austausch anzubieten. Das hört sich nicht sehr aufregend an, muss es aber auch nicht sein, um eventuell genau den richtigen Zweck zu erfüllen. Wir sollten Social Media etwas unaufgeregter betrachten. In einem anderen Fall ist es aber womöglich eine ausgefeilte, innovative Geschichte, die in Teilen online und in Teilen live erlebt und inszeniert wird.
Mir scheint im Allgemeinen, dass bei Social Media viel zu oft nach einer besonders außergewöhnlichen Idee gesucht wird. „Lustige Gewinnspiele“ und Mitmachaktionen mit mäßigem Erfolg sind dann das Ergebnis. Aber wir müssen uns bewusst machen, dass die Menschen Social Media größtenteils nicht mögen und nutzen, weil es ein so amüsantes Gimmick ist, sondern weil es einen Zweck erfüllt: Über Facebook kann ich mit meinen Freunden in Kontakt bleiben, bei Twitter bleibe ich über aktuelle Themen informiert. Der Nutzen ist ein sehr wichtiger und oft vergessener Aspekt von sozialen Medien. Natürlich gehört auch Unterhaltung dazu, aber das ist ein schöner Nebeneffekt. Auch bei Events sollte deswegen überlegt werden, an welcher Stelle eine Verknüpfung zu einem digitalen oder virtuellen Angebot einen Mehrwert bietet! Wie kann der Inhalt der Veranstaltung noch besser verdeutlicht werden? Wie kann ich dem Besucher bei der Vorbereitung auf das Event oder vor Ort ganz konkret helfen? Und hierbei sollte meistens die Finger von Standardlösungen gelassen, sondern immer individuell und ganz gezielt der Einzelfall hinterfragt werden. Dazu gehört auch, sich einzugestehen, dass es unter Umständen sein kann, dass diese Maßnahmen weder für die Besucher noch für die Inhalte von Vorteil sind – dann lassen sich Social Media Aktivitäten auch ohne schlechtes Gewissen stark reduzieren oder sogar ganz weglassen.

 

Und welche Chancen birgt der digitale Bereich bzw. der virtuelle Raum generell für die erfolgreiche Gestaltung eines Events?

Die größte Chance ist, das Event zeitlich zu verlängern oder räumlich zu erweitern. Mit gezielten Inhalten in sozialen Medien, Apps oder auf Webseiten kann das Erlebnis bereits vorher zum Beispiel dramaturgisch unterstützt und nachher verlängert werden. Räumlich betrachtet, lässt sich der Erlebnisraum damit vergrößern: Durch virtuelle Ergänzungen kann das Erleben um eine Dimension erweitert werden. Was wir uns vorher auf zweidimensionalen und statischen Fotos anschauen konnten, können wir dann beispielsweise über eine Oculus Rift Brille dreidimensional erleben oder an interaktiven Screens spielerisch erkunden.
In einem anderen Punkt ermöglicht der digitale Bereich aber auch die Überschreitung räumlicher und zeitlicher Grenzen von Veranstaltungen. Zum Beispiel können sich Menschen mithilfe von Social Media unabhängig von Raum und Zeit miteinander austauschen – über das Event oder eben die Inhalte. Dieser öffentliche Austausch kann nicht nur das Besuchererlebnis und die Außenkommunikation bereichern, er ist auch eine neue und sehr wertvolle Erweiterung für die Veranstalter – eine einzigartige Chance, um mit vielen Besuchern in Kontakt zu treten, in Echtzeit auf mögliche Probleme einzugehen und nicht zuletzt, um ein authentisches Stimmungsbild sowie Optimierungsmöglichkeiten des eigenen Events zu erhalten.


Katharina Stein, vielen Dank für das ausführliche Gespräch!

 

Zur Person

Katharina Stein (geb. Falkowski), Jahrgang 1981, studierte an der RWTH Aachen Psychologie, Soziologie und Politikwissenschaft. Bis zur Gründung des eveosblogs 2009 hat sie in verschiedenen Positionen und Bereichen im Marketing, Eventmanagement, der Gastronomie und Hotellerie gearbeitet und Firmenkunden wie unter anderem Bayer, Heidelberger Druckmaschinen und Henkel betreut. Seit 2009 widmet sie sich als selbständige Bloggerin überdisziplinären Trends und Themen der Live-Kommunikation.

FACTS

Kontakt:

eveosblog.de, Solingen (DE) > www.eveosblog.de