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Film- & Bühnenarchitektur

Filmrezension „Metropolis“

POSTED 03.08.2017
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Metropolis – die Stadt der Zukunft: Fritz Langs monumentaler Science-Fiction-Film verbindet visuelle Kraft mit einer Liebesgeschichte um die Versöhnung von Arbeit und Kapital. Der etwa zweieinhalbstündige Stummfilm, der 1927 im Berliner Ufa-Palast am Zoo seine Premiere feierte, gilt nicht nur als eines der bedeutendsten Werke der Kinogeschichte, sondern auch als einer der teuersten Filme der damaligen Zeit: Aufwändig wurde eine futuristische Großstadt errichtet, um sie anschließend wieder zu vernichten. Mindestens 500 Modelle von Wolkenkratzern mit bis zu 70 Stockwerken wurden gebaut. Dabei waren die Gebäude der Oberschicht prunkvoll ausgestattet, während die unterirdische Arbeiterstadt schlicht gehalten war und an den damals zukunftsweisenden Bauhaus-Stil erinnern sollte. Das hat sich PLOT mal genauer angeschaut …


von Norbert W. Daldrop

 

Gut Ding will Weile haben: Nicht umsonst wissen wir vom Filmarchitekten Erich Kettelhut, dass die Vorbereitung und Herstellung des Modellbaus für die Maschinenhalle, die in Fritz Langs berühmten Film „Metropolis“ gezeigt wird, mindestens vier Wochen in Anspruch nahm. Auch der aufwändige Bau eines enormen Wasserbassins, das später für die Überschwemmungsszene benötigt wurde, verschlang reichlich Zeit. Dabei wurden die Wolkenkratzer und kühnen Straßenkonstruktionen, die in diesem Film vorkommen, erstmals im Schüfftan-Verfahren aufgenommen: Die Einspiegelung winziger Modelle in Realszenen schuf die Illusion riesiger Bauten. Mit hohem technischem Aufwand wurden also schon damals alle zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt, um dem Film seine überragende optische und atmosphärische Wirkung zu verleihen: hohe, scharfe Häuserburgen im New Yorker Stil, strenge technische Abläufe in pulsierendem Rhythmus sowie starke Licht- und Schatteneffekte.

Damit ist der Film ein frühes Beispiel für spektakuläre, quasi virtuelle Filmarchitektur und Langs Filmarchitekten Otto Hunte, Erich Kettelhut und Karl Vollbrecht sind frühe Szenografen, die sich eine wichtige Erkenntnis zu nutzen machten: Räume konstituieren sich immer über den Blick des Betrachters und nur dieser Blick kann die Ansichten, die Film und Architektur erzeugen, zu einem imaginären Ganzen zusammensetzen. So ist ihre frühe spektakuläre Filmarchitektur gerade deswegen so faszinierend, weil sie nicht begangen, sondern immer nur mit dem Blick ergründet werden kann. Gute Filmkulissen müssen dementsprechend zutiefst von einer filmischen Sichtweise durchdrungen sein. Ihre Zweckgebundenheit ist nach der Fertigstellung eines Filmes dahin.

 

In „Metropolis“ ist die Architektur – besser gesagt das Szenenbild oder die Szenografie – das strukturelle Element der Handlung schlechthin, das den Film sogar formal und inhaltlich zusammenhält. Denn für seine Zukunftsvision ließ sich Lang von der nächtlichen Skyline von New York inspirieren und der Plot orientiert sich an den damals gängigen Kolportageromanen. Während in einer lichtlosen Unterstadt die Arbeiter wie Sklaven hausen, lebt die Gesellschaft der Oberstadt in einer Atmosphäre des Luxus und des Überdrusses. Soziales Mitgefühl und die Liebe zu Maria treibt Freder, den Sohn des Herrschers, in die Katakomben der Unterstadt. Am Ende stiftet das Paar eine neue bürgerliche Gemeinschaft zwischen den Klassen. Die triviale Handlung mit der ideologischen Moral ist dabei nur Vorwand, Libretto für die Inszenierung von Stadtansichten. Hier wird die neue futuristische Stadt nicht mehr gefeiert, sondern erstmals als neue Maschine der Unterdrückung dargestellt. Lang zeigt das Umkippen einer Superstadt zum Wolkenkratzergefängnis und entlarvt die Megagroßstadt als neue menschenverachtende Maschinerie. Bezeichnend ist die Spaltung der architektonischen Formen in die jeweilige soziale Klassensprache. Bereits zu Beginn erscheint die Stadt tragisch unterteilt in drei voneinander abgeschnittene Welten: Die Zukunftsstadt oben ist ausschließlich für die Reichen bestimmt. Von einem unaufhörlichen Strom von Luftschiffen, Flugbahnen und futuristischen Verkehrsmitteln umgeben, ragen düstere steinerne Wolkenkratzerschluchten – Monumente aus Stahl und Glas, die wie riesige Maschinenteile aussehen – in den Himmel hinauf. Unten jedoch, gleichsam wie in Katakomben, wohnen die Arbeiter, die wie Sklaven gehalten werden. Ganz unten ist die Produktionsstadt. Die moderne Technik erscheint hier als Instrument der Unterdrückung. Raucherfüllte Fabriken, riesige Maschinensäle und undefinierbare, Angst einflößende Apparaturen dominieren das Bild. Die Trennung der verschiedenen Funktionen innerhalb Metropolis sowie der Doppelcharakter der Bausubstanz können als Langs Reflexion seiner amerikanischen Erfahrung verstanden werden. Zu einer Zeit, zu der in Deutschland die Großstadt noch gefeiert wird, antizipiert Lang bereits den Zerfall moderner Metropolen in Ghettos und Randzonen.

FACTS

Titel:

Metropolis

Kinostart:

10.01.1927

Regie:

Fritz Lang

Drehbuch:

Thea von Harbou

Szenenbild:

Otto Hunte, Erich Kettelhut, Karl Vollbrecht

Kamera:

Karl Freund, Günther Rittau, Walter Ruttmann

Fotos:

Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Berlin (DE) > www.deutsche-kinemathek.de

Rechte:

Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden (DE) > www.murnau-stiftung.de

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