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Interviews

MARTIN JOOS ÜBER PARTNERSCHAFTEN

POSTED 26.08.2016
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„In der Welt des Eventbaus nützt die Realisierung einer visionären Idee nur dann etwas,
wenn sie rechtzeitig fertig wird.“

 

Da gut gestaltete Projekte nicht nur vom Entwurf abhängen, sondern auch von der richtigen Umsetzung leben, haben wir uns mit Martin Joos, Gründungsmitglied und Geschäftsführender Partner von ADUNIC, unterhalten. Denn das Schweizer Unternehmen versteht sich nicht allein als Generalunternehmer, sondern ist vor allem kompetenter Realisierungspartner für Planer, Künstler, Szenografen und Gestalter – wie der Schweizer Pavillon auf der diesjährigen Architektur-Biennale in Venedig oder das FIFA World Football Museum in Zürich eindrücklich beweisen.


Die Fragen stellte Sabine Marinescu.

 

Martin Joos, das Unternehmen ADUNIC wurde im Frühjahr 2014 gegründet – und hat nicht nur gut 50 Mitarbeiter, sondern auch eine beträchtliche Anzahl temporärer Bauten realisiert und sich im Markt etabliert. Das klingt nach einer Erfolgsgeschichte. Aber so einfach war der Start sicher nicht? Was waren die Herausforderungen?

Es stimmt, wir sind tatsächlich ziemlich schnell gestartet. Aber im Unterschied zu einem klassischen Start-up, welches mit ein paar wenigen, meist unerfahrenen Unternehmern in eine neue Welt eintaucht, waren die Voraussetzungen bei uns anders: Wir durften auf ein erfahrenes Team von Projektleitern, Ingenieuren und Baufachleuten zurückgreifen, welche bereit waren, zusammen etwas Neues zu wagen und ein eigenes Unternehmen zu starten. Da sich von Beginn an jeder seiner Rolle und Aufgabe im neuen Unternehmen bewusst war, haben sich die internen Abläufe sehr schnell eingespielt. Die größte Herausforderung der Startphase bestand jedoch darin, als Firma ohne Referenzen rasch die richtigen Projekte zu akquirieren. Dabei galt es, die Kunden und Partner davon zu überzeugen, uns ihre Bauaufgaben auf Basis „unserer Erfahrung als Team“ anzuvertrauen. Auch wenn wir viele unserer Kunden und Partner bereits von früher kannten, so hat uns deren Loyalität und persönliches „commitment“ doch überrascht und gefreut.

 

Kommen wir zum Namen Ihres Unternehmens: ADUNIC setzt sich aus zwei Wörtern zusammen: Adificare (lat: bauen) und unicus (lat: einzigartig) – also „Einzigartiges Bauen“. Was genau verstehen Sie darunter?

Als junge Firma wollten wir uns einen Namen geben, der noch nicht besetzt ist und explizit ausdrückt, was wir tun. Mit dem Ausflug ins Lateinische ist es uns gelungen, unseren Fokus und unsere Kompetenz – die Realisierung einzigartiger Bauten – in einem einprägsamen Wort zusammenzufassen.

 

Bei Ihnen betreuen nicht nur Projektleiter die international angelegten Projekte, sondern eben auch Fachplaner, Ingenieure und Architekten. Und so verstehen Sie sich nicht allein als Generalunternehmer, sondern als Realisierungspartner für Planer, Künstler, Szenografen und Gestalter. Wie bewerkstelligen Sie das?

Komplexe Bauprojekte erfordern immer interdisziplinäres Denken und Handeln. Bei temporären Bauwerken, welche in kurzer Zeit realisiert werden und oftmals einer rollenden Planung unterworfen sind, erhält diese Forderung zusätzliches Gewicht. Wenn dabei sowohl die visuellen Ansprüche der Architekten/Szenographen wie auch die budgetären Anforderungen des Bauherrn berücksichtigt werden sollen, so erfordert dies die frühe Einbindung von Spezialisten, Ingenieuren, Fachplanern und Baufachleuten. Im Gegensatz zu einem klassischen Bauprozess wo der Bauunternehmer erst gegen Ende des Planungsprozesses ins Projekt einsteigt, ist deshalb unser Ansatz, dass wir uns bereits in der Planungsphase engagieren. Indem wir unser Wissen in dieser frühen Projektphase einbringen, vermindern wir die bautechnischen und terminlichen Risiken und erhöhen Planungs- und Budgetsicherheit eines Projektes beträchtlich.

 

Was macht für Sie die Arbeit mit Gestaltern aus?

In unserer oftmals engen Zusammenarbeit mit Gestaltern zeigt sich immer wieder die Wichtigkeit, dass jeder seine Rolle kennt und richtig spielt. Unsere Rolle ist die des realisierenden Partners. Darum sind wir bewusst nicht im klassischen Sinn kreativ tätig, sondern konzentrieren uns auf die Aspekte der Umsetzung. Dies heisst: Die Abklärung der Machbarkeit erster visionärer Ideen der Gestalter oder die Erarbeitung innovativer bautechnischer Lösungen auf Basis eines architektonischen Entwurfs. Und: Die Kunst in der Zusammenarbeit mit Gestaltern liegt auch darin, den richtigen Zeitpunkt zu finden, den Abschluss des Designprozesses zu fordern. Denn in der Welt des Eventbaus nützt die Realisierung einer visionären Idee nur dann etwas, wenn sie rechtzeitig fertig wird.

 

Sie sind in der Welt der temporären Bauten – von Ausstellungen über Messe-und Eventaufbauten bis hin zu Länderinszenierungen – zu Hause. Das Thema Nachhaltigkeit wird in diesem Zusammenhang in den vergangenen Jahren heftig und auch umstritten diskutiert. Sie haben ein besonderes Anliegen, Ihre Projekte so nachhaltig wie möglich zu verwirklichen – wie gelingt Ihnen das?

Nachhaltigkeit beginnt im Kopf. Wenn die Bereitschaft für nachhaltige Lösungen beim Projektteam vorhanden ist, kann auch im Eventbau Einiges bewegt werden! So beraten wir unsere Kunden und Partner bereits in der Planungsphase und sensibilisieren diese so früh auf relevante Aspekte der Nachhaltigkeit. Dabei beleuchten wir insbesondere umsetzungstechnische Punkte wie die Verringerung der Transporte durch Zusammenarbeit mit lokalen Partnern, Verwendung von rezyklierbaren Materialien oder Einsatz von mehrmals einsetzbaren Unterkonstruktionen wie etwa Stahl- oder Gerüstkonstruktionen. Durch die Beleuchtung solcher Aspekte in einer frühen Planungsphase und das gemeinsame Abwägen der Vor- und Nachteile der aufgezeigten Lösungen gelingt es meist, die Nachhaltigkeit eines Projektes zu maximieren.

 

In Ihrem Unternehmensfilm geben Sie an, dass sie mit Ihrer Arbeit einem hohen Anspruch genügen wollen – und doch in kurzer Zeit Projekte in den unterschiedlichsten Größenordnungen realisieren können. Widerspricht sich das nicht?

Dieser Anspruch ist nur dann ein Widerspruch, wenn man sich am klassischen Bauprozess orientiert. Die Lösung liegt darin, auf die verkürzte Zeitachse mit einem anderen, beschleunigten Bauprozess zu reagieren und den Unternehmer bereits in der Planung mit ins Boot zu holen. Aus unserer Erfahrung zeigt sich: Wenn der Kunde den Mut und das Vertrauen ins Projektteam hat, diesen verkürzten Weg einzuschlagen, können daraus hervorragende Projekte resultieren, welche den höchsten Ansprüchen genügen und Kunde, Projektteam und Publikum gleich begeistern.

 

Wagen Sie einen Blick in die Zukunft. Wohin entwickelt sich die Branche?

Aus meiner Sicht kann man nicht generell von einer Branchenentwicklung sprechen. Vielmehr beobachte ich, dass die Entwicklung des Messe- und Ausstellungsbaus je nach Marktsegment und geographischer Lage in einem ganz unterschiedlichen Entwicklungspunkt ist: In Asien wächst die Bedeutung der Medientechnik noch immer, während das Interesse für große, klassische Medieninszenierungen in Europa bereits wieder abflacht. In der Automobil- und Luxusgüterindustrie wird nach wie vor sehr viel Geld in den individuellen Messe- und Eventbau investiert, während im Bereich Telecom oder Maschinenindustrie eher auf Systembau und mehrmals einsetzbare Messestände gesetzt wird. Was allen Bereichen gemeinsam ist: Die Internationalisierung des Geschäfts, die Verkürzung der Planungszeiten und die Verringerung der Planungstiefe. Dies erfordert von den Projektleitern eine immer höhere Reisebereitschaft, größere Flexibilität und breitere Erfahrung in der Umsetzung solcher Bauten. Das heißt letztlich für ein Unternehmen wie unseres: Nur wer seinen Mitarbeitern Sorge trägt, sie weiterbildet und Möglichkeiten zur Erholung schafft, wird in der Lage sein, ein Team zur Verfügung zu haben, welches gewillt ist, dieses Tempo mitzugehen und weiterhin international einzigartige Projekte umzusetzen.

 

Und nun noch eine letzte Frage: Was für ein Projekt würden Sie gerne realisieren – egal wie utopisch es sein mag?

Was mich in den letzten Jahren immer wieder beschäftigt, ist die Frage, inwieweit es möglich ist, unser Wissen im „schnellen Bauen an schwierigen Orten“ im Bereich der Entwicklungshilfe anzuwenden. Unser Team ist in der Lage innert kürzester Zeit ein temporäres Gebäude zu planen sowie umzusetzen und verfügt dabei über eine große, internationale Erfahrung in Beschaffung von Baumaterialien ebenso wie in Transportlogistik. Unsere Projektleiter verfügen zudem über Improvisationsgabe und sind es gewohnt, sich an ihnen unbekannten Orten schnell zurechtfinden. Auch wenn die beiden Bereiche Eventbau und Disaster Relief Management (Katastrophenhilfe) nicht direkt vergleichbar sind, so verfügen sie dennoch über unübersehbare Parallelen. Und bekannte Architekten wie etwa Shigeru Ban (mit seinen Kartonhäusern für Obdachlose in Fukushima) haben bereits bewiesen, dass ein Brückenschlag zwischen den beiden Welten möglich ist. So möchte ich eines Tages ein Projekt in diesem Bereich des Disaster Relief Management realisieren – und zwar in Zusammenarbeit mit internationalen Hilfsorganisationen und zur Not mit einem namhaften Architekten …


Martin Joos, vielen Dank für das Gespräch.

 

Zur Person
Martin Joos ist Gründungsmitglied und Geschäftsführender Partner von ADUNIC. Seit mittlerweile 20 Jahren ist Joos in der Baubranche tätig und hat in dieser Zeit bei weit über 200 Projekten seine Erfahrung mit einbringen und erweitern können. Seine berufliche Laufbahn startete 1995 bei der Locher AG in Zürich. Anschließend arbeitete er als Projektingenieur bei Ernst Basler & Partner. Später folgten mehrere Funktionen für Basler & Hofmann, darunter auch Projekte, Entsendungen und Geschäftsentwicklungen in Singapur, China, Rumänien und der Slowakei. Zuletzt verantwortete Martin Joos ab 2006 als Director Sales und Exhibitions bei der Nüssli Gruppe die gesamte Vertriebsstrategie der Division Exhibitions. Über seine berufliche Tätigkeit hinaus engagiert er sich im Vorstand von Ingenious Switzerland, der Schweizer Plattform für Architektur, Engineering und Design für Arbeiten im Ausland.

FACTS

Kontakt:

ADUNIC AG, Frauenfeld (CH) > www.adunic.com

Fotos:

1 ADUNIC AG, Frauenfeld (CH) > www.adunic.com
2-5 Oliver Dubuis > www.oliverdubuis.com
6 Keystone, Gaëtan Bally, Zürich (CH) > www.keystone.ch
Schweizer Pavillon auf der Architekturbiennale 2016 („incidental space“ von Christian Kerez)