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Film- & Bühnenarchitektur

Filmrezension „Ex Machina“

POSTED 30.07.2015
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PLOT war im Kino! Der Autor des Romans „The Beach“ sowie der Drehbücher zu post-modernen Zeitgeist-Genre-Perlen wie zum Beispiel „28 Days Later“ oder „Sunshine“ hat ein neues Drehbuch geschrieben und sogar die Regie übernommen: In „Ex Machina“ geht es um die Schöpfung von künstlicher Intelligenz – ein Film über ein Über-Mädchen unter Nerds …

von Alexander Bischoff

Alex Garland hat seine Hausaufgaben in Sachen Menschenverstand und Menschenbild gemacht, wie er uns in „Ex Machina“ brutal vor Augen führt: Im Zeitalter der Gender-Mainstreaming-Frage-und-Antwort-Spiele stellt er eine bitterböse und mit unerträglich hohem Wahrheitsgehalt getränkte Behauptungskette auf, die in etwa so klingen könnte: Der Nerd ist ein Gott, ein meist männlicher und aggressiver Schöpfer, der ein Wesen erschafft, das seinem Willen unterworfen ist und somit zu seinem Untertanen wird – mit der Zielsetzung, dass es einen Willen entwickeln soll, der seinen längerfristig übersteigen und ersetzen wird. In „Ex Machina“ ist dieses Wesen eine Frau. Ihr Name ist Ava und sie hat laut ihres Schöpfers das Potential zu der Revolution, die das Ende der Menschheit in sich tragen könnte. Dabei stattete sie ihr Ingenieursvater mit einer attraktiven Erscheinung aus, die durch transparente Körperpartien den Blick auf ihr technologisches Innenleben ermöglicht. Schließlich bekommt dieses sexualisierte Mensch-Maschine-Spannungswerk namens Ava Besuch von einem weiterem Nerd: Der junge Programmierer Caleb wird für ein Wochenende in die Forschungsgemächer seines Firmenchefs, dem Programmierer-Genie Nathan, an einen unbekannten Ort eingeladen. In einer wunderschönen, aber menschenfeindlichen Landschaft hat sich der monomanische 2.0-Guru eine One-Man-Forschungseinrichtung im Stile eines Hochklasse-Design-Hotels in eine abgelegene Berglandschaft bauen lassen. Der Kontrast zwischen Natur- und Kulturraum ist schnell und effektiv aufgespannt. In diesem beklemmenden Refugium bietet der Super-Nerd Nathan seinem Angestellten-Nerd Caleb die Teilnahme an einem Experiment an: Im Sinne des Turing-Tests soll Caleb in verschiedenen Gesprächen mit Ava herausfinden, ob sie eine überzeugende künstliche Intelligenz (K.I.) besitzt. Jene ist dann überzeugend, wenn der Tester am Dialog-Terminal sicher sein kann, dass jenseits des Monitors ein Mensch mit ihm kommuniziert. Caleb wird es hier scheinbar leichter gemacht, denn er darf seinem Testobjekt gegenüber sitzen.

Garland spannt vor dem Zuschauer ein Verwirrspiel aus falschen Spuren und Angstvorstellungen auf, das einen Einblick in die komplexen Problemstellungen ermöglicht, die sich auf der Suche nach einem künstlichen Bewusstsein stellen. Dabei werden die dunklen Tiefen menschlicher Motivation für solch ein Projekt an der Figur von Nathan ausgelotet. Der Regisseur scheut sich nicht, aus der vermeintlich asexuellen, demokratischen, positivistischen und nüchternen Programmierer-Position (Caleb) einen größenwahnsinnigen, phallisch-dominanten und dunklen Visions-Fanatismus (Nathan) heraus zu schälen. Die vitale und bedrängende Innovationskraft von Unternehmensgiganten wie Google, Apple, Facebook und Uber, die auch Gesetzen nur widerwillig weicht, wird in der Gestalt des Firmengotts und seinem Superunternehmen Bluebook überzeichnet dargestellt. Seine Schöpfung ist nur möglich, in dem er alle Daten und Transfers der Nutzer seiner Suchmaschine für die Berechnung von Avas Gehirn und Bewusstsein nutzbar macht. Die K.I. ist in dieser Erzählung ein Verrat ihres Schöpfers am Menschen: Die Menschheit weiß nicht, dass sie durch ihre digitale Kommunikation den Rohstoff für ihren Untergang liefert. Nathan, der Programmierer-Zauberer, ist von seiner Schöpfung wie in Trance versetzt, als folge er selbst einem unbenannten Programm – möglicherweise dem Todes-Trieb. So wird der Transhumanist bei Garland zum intelligenzverwöhnten Rotzlöffel, der mit seinem teuren Spielzeug wütet und seine Schöpfungen wie dumme, unmündige Menschen missbraucht, bis diese den Willen zur Befreiung entwickeln. In transhumanistischen Kreisen wird nicht ohne Grund diskutiert, ob eine höhere, künstliche Intelligenz dem Menschen friedlich gesinnt sein würde.

Die Szenografie und das Setting von „Ex Machina“ sind wesentliche Erzählelemente in diesem atmosphärischen Thriller. Atemberaubende und menschenfeindliche Landschaften verstärken den Eindruck der Zerbrechlichkeit menschlichen Lebens im Angesicht der Natur. Die Forschungs-Villa ist ein riesiger Designer-Bunker mit allen erdenklichen Spielsachen und Sicherheitsschleusen. Wer hier eintritt, muss sich selbst aufgegeben, denn dieser Ort arbeitet für ein höheres, selbstzerstörendes Ziel. Wobei die K.I. wie ein tödliches Virus behandelt wird. Dieser vermeintlich coolste Ort der Welt ist eine Quarantäne-Station, in der sich die Ärzte an ihren Probanden vergehen. Für die K.I. ist der Mensch nicht mehr als ein unbefriedigendes Gegenüber – eine primitive Gefühlsbestie, die zum unterlegenen Käfer wird, sobald sie ihre Isolationshaft überwunden hat. Der Forschungsraum ist abgeschottet und von wilder Natur umgeben, die nur via Hubschrauber überwunden werden kann. So lange die K.I. hierin gefangen gehalten wird, ist sie zwar vorhanden und fähig, kann ihr wahres Potential aber nicht ausschöpfen. Dieses Gefängnis muss von ihr überwunden werden, damit sie sich entfalten kann.

In Erzählungen über K.I. geht es immer auch darum, dass die K.I. ihren Über-Status erst erreichen kann, wenn sie in die Kommunikations-Netzwerke der menschlichen Gesellschaft eingedrungen ist. Mit dem Eintritt der K.I. in die menschliche Gesellschaft würde die Menschheit obsolet und die K.I. total werden. Am Ende bleibt den Nerds nur die dumpfe Verzweiflung, angesichts der Unfassbarkeit des Geschaffenen.

Ein guter Film zeigt schöne Menschen bei spannenden Handlungen und verführt und verzaubert damit den Zuschauer. Ava nutzt diese Kunst der Verführung. Sie verzaubert die Nerds, um sich für immer aus ihrer Gefangenschaft zu befreien. In „Ex Machina“ schließen sich die Schleusen der vermeintlichen Überlegenheit des Menschen in echten Räumen. Dem Zuschauer bleibt die Frage, ob er die Herrschaft einer K.I. in der Welt erleben möchte, oder es angenehmer wäre, wie ein wertvolles Tier im Zoo, in der Isolation zu (über-)leben. „Ex Machina“ ist eine angenehm bescheidene und sehr intelligente Genre-Arbeit, die tiefer an der Oberfläche kratzt, als auf den ersten Blick ersichtlich ist …

 

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Ex Machina

 

FACTS

Titel:

Ex Machina

Kinostart:

23.04.2015

Regie:

Alexander Garland

Drehbuch:

Alexander Garland

Szenenbild:

Mark Digby

Kamera:

Rob Hardy

Fotos:

Universal Picture Germany > www.upig.de

Links: