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Ausstellungsgestaltung

Bigger than Life. Ken Adam´s Film Design

POSTED 16.03.2015
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Im September 2012 übergab Sir Ken Adam sein künstlerisches Werk an die Deutsche Kinemathek in Berlin. Der bekannteste und erfolgreichste Set-Designer machte damit nicht nur – visionär wie er ist – seinen Vorlass zugänglich, er ermöglichte Fans – wie mir – einen umfassenden Einblick in rund 4.000 Skizzen zu Titeln aus allen Schaffensperioden, in Fotoalben, Storyboards, unzählige Motivfotos und Erinnerungsstücke wie zum Beispiel militärische Orden, Ausweispapiere oder filmische Auszeichnungen inklusive der beiden Oscars, die er 1976 und 1995 gewann. Herausragend! Und so zeigt auch die Deutsche Kinemathek sein Œuvre, das mit der Ausstellung „Bigger Than Life. Ken Adam’s Film Design“ vom 11.12.2014 bis 17.05.2015 zu sehen ist.

von Janina Poesch

Wenn ich an Ken Adam denke, geht mir das Herz auf. In der Tat habe ich schon mehrfach daran gedacht, meine langjährige Beziehung zu beenden und mich neu zu orientieren. Zugegeben, da lägen etwa 60 Jahre zwischen uns, aber es sind 60 Jahre über die ich alles wissen will: Wie war das eigentlich damals mit James Bond? (Von meiner „Liebe“ zu Sean Connery ganz zu schweigen …) Woher kamen die Ideen zu Fort Knox, wenn doch noch nie ein Set-Designer diesen Ort gesehen hat: Wie lässt sich diese Goldgrube nachbauen? Wie liebevoll und „strange“ war Stanley Kubrick? Was ist eigentlich aus Barry Lyndon geworden? Und wie um alles in der Welt entstehen diese grandiosen Skizzen und Zeichnungen, die nicht nur mich, sondern unzählige Designer und Architekten gleichermaßen inspiriert haben?
Als Ken Adam 2010 auf dem Berlinale Talent Campus einen Auftritt hatte, habe ich ihn verpasst. Pünktlich zur Ausstellungseröffnung in der Deutschen Kinemathek lag ich mit Erkältung im Bett und ich sehe meine Chancen schwinden, ihn je persönlich kennenzulernen – zumal er eine sehr attraktive Frau hat, die es mit Sicherheit nicht gut heißen würde, wenn ich ihm meine Ehre erweise. Dabei ist es vor allem der Respekt, der aus mir spricht: Respekt vor 64 Jahren unglaublichen Schaffensgeistes, vor den spektakulären Welten, die mich und bestimmt tausend andere Zuschauer „entführt“ und in über 70 Filmen zum Staunen gebracht haben und dem Humor, den er trotz seines bewegten und nicht immer einfachen Lebens offensichtlich nie verloren hat.

Von Berlin über London nach Hollywood *

1921 wurde Klaus Hugo Adam in Berlin in eine assimilierte, großbürgerliche jüdische Familie geboren und wuchs im Tiergartenviertel auf. Sein Vater, Fritz Adam, betrieb damals gemeinsam mit seinen Brüdern das exklusive Sport- und Modegeschäft „S. Adam“ in der Leipziger Straße: Werbewirksam ließ er in den 1920er-Jahren hier Stummfilmstars in seinen Sportmoden posieren. Auch Filme von F. W. Murnau und G. W. Pabst wurden von ihm ausgestattet.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 war die glückliche Kindheit jedoch schlagartig vorbei und Klaus’ älterer Bruder Peter überredete den Vater schließlich zur Emigration nach Großbritannien. In London gelang der Familie ein bescheidener Neustart: Die Mutter Lilli Adam betrieb eine Pension, die zum Treffpunkt für emigrierte Ärzte, Schauspieler und Musiker wurde. Fritz Adam, der als deutscher Offizier im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte, verwand das Exil allerdings nicht und starb 1936 im Alter von 56 Jahren.

Eine Schulausbildung am Französischen Gymnasium in Berlin und an der St. Paul’s School in London, das Studium an der Bartlett School of Architecture, der Einsatz als Kampfpilot in der Royal Air Force, die „goldenen“ Zwanziger Jahre in Berlin, das „Swinging London“ der Sechziger Jahre: All dies sind biografische Stationen, die Ken Adams Œuvre maßgeblich beeinflusst haben. Die Arbeit in der Filmindustrie bedeutet für ihn dabei eine neu gewonnene Freiheit – eine neue Erkundung der Welt. Bald stattet er zwei bis drei Filme pro Jahr aus, wobei die Budgets zusehends größer werden. Nachdem er 1962 die wegweisenden Sets für „Dr. No“ – den ersten James-Bond-Film – entworfen hat, ruft Stanley Kubrick bei ihm an. Beim ersten Treffen findet Adam den jungen, perfektionistischen Filmemacher naiv und anstrengend: „Für Stanley musste man immer alle Ideen intellektualisieren, was oft nicht einfach war, weil sie meistens intuitiv waren.“ Der erste Entwurf für den berühmten „War Room“ aus „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ entsteht trotzdem schon hier: beim ersten gemeinsamen Essen.
Von 1962 bis 1979 entwarf Adam die immer aufwändigeren Szenenaufbauten für die erfolgreiche James-Bond-Reihe, deren Design die Filme entscheidend prägte. Er konzipierte unter anderem die geheimen Kommandozentralen von Bonds Widersachern, die durch ihre monumentalen Ausmaße und ihre spektakuläre Konzeption auffielen. Mit Stanley Kubrick arbeitete er zudem an dem Film „Barry Lyndon“, für den er 1976 mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. 1995 gewann er mit „The Madness of King George“ den Academy Award in der Kategorie „Best Art Direction/Set Decoration“ erneut. Stets an seiner Seite das italienische Mannequin Letizia Moauro, welche er 1951 bei den Dreharbeiten von „The Crimson Pirate“ auf Ischia kennenlernte, im folgenden Jahr heiratete und zu seiner wichtigsten Beraterin machte. Sie war es auch, die ihren Mann zu einem reduzierten, gleichwohl dynamischen Zeichenstil ermunterte. Und so skizzierte er mit seinem neuen Handwerkszeug – dem Flo-Master-Filzstift – vor Energie vibrierende Räume, die bis heute unverwechselbar sind.
Jene dynamischen und ausdrucksstarken Zeichnungen zeigen dabei abgründige, exotische und albtraumhafte Orte in höchster Intensität. Wobei Adams Entwürfe immer wieder auf prägnanten geometrischen Grundformen basieren: dem asymmetrischen Dreieck, dem verzerrten Rechteck und dem Kreis. Um Räume zu stilisieren, inszeniert er dramatisch Licht und Schatten. Zugleich ästhetisiert er die moderne Technik und experimentiert mit oftmals ungewöhnlichen Materialien und metallischen Oberflächen aus Kupfer, Messing oder auch Kunststoff, die in bedrohlichen Verliesen und Laboren, eleganten Villen und Apartments, gigantischen Machtzentralen und Versammlungssälen, beeindruckenden Tempeln und Kathedralen zum Einsatz kommen. Dazu ebenso verspielte wie gefährliche Fahrzeuge mit Gadgets zu Wasser und in der Luft – etwa Schnellboote, Amphibienfahrzeuge oder laserbestückte Satelliten.

Mit seinen zumeist im Atelier realisierten szenografischen Räumen hat er so einen neuen Stil geschaffen, der das Film-Design und unsere Sehgewohnheiten nachhaltig beeinflusst haben. Ken Adam hat – getreu seiner Design-Philosophie „bigger than life“ – in seinen Arbeiten die Grenzen des Vorstellbaren herausgefordert, oft hoch emotional, zuweilen spielerisch und humorvoll, dabei immer glaubhaft. Dieser Stil beeinflusste wiederum maßgeblich die Design- und Architekturvorstellungen einer nachfolgenden Generation von Künstlern: In den Bauten von Daniel Libeskind oder Santiago Calatrava sind Bezüge zu Adams Architekturentwürfen deutlich zu erkennen. Der Architekt Norman Foster gibt sogar an, bei der Gestaltung der Londoner U-Bahn-Station „Canary Wharf“ von Adams Set des Supertankers in „The Spy who loved me“ (1977) angeregt worden zu sein und auch heutige Production Designer wie Alex McDowell oder Thérèse DePrez sind durch Adams Arbeitsweise inspiriert.

Zwei- und dreidimensionale Raumvisionen **

Einem der innovativsten und einflussreichsten Set-Designer unserer Zeit selbst eine räumliche Inszenierung zu widmen, scheint dabei eine der schwierigsten Aufgaben zu sein: Wie lassen sich seine Entwürfe, Ideen und Visionen in einer Ausstellung präsentieren, in den Raum übertragen und die unzähligen Exponate den Besuchern zugänglich machen? Gegliedert in fünf Bereiche – „Ken Adams Welt“, „Lines in Flow“, „Raumvisionen“, „Berlin und London“ und „Inspiration und Wirkung“ – werden auf zwei Etagen mannigfaltige Exponate gezeigt und ein Einblick in Adams Schaffen ermöglicht. Anhand der Schau wird sein kreativer Gestaltungsprozess aufgefächert und das Handwerk des Production Designers mit Hilfe dynamischer Zeichnungen und Fotos, ergänzt durch multimediale Installationen, vielschichtig erlebbar gemacht.
Besonderer Blickfang sind dabei die fünf Bühnenbild-Modelle, die von den Berliner Gestaltern von oza_studio for architecture and scenography konzipiert, digitalisiert und angefertigt wurden. Denn bei den Raumobjekten, die eigens für die Ausstellung „Bigger Than Life – Ken Adam’s Film Design“ in der Deutschen Kinemathek gebaut wurden, handelt es sich weder um getreue Rekonstruktionen ehemals vorhandener Modelle, noch um maßstäbliche Verkleinerungen von Filmräumen. Vielmehr sollen die Exponate die Skizzen, die Adam zu einzelnen Filmsets angefertigt hat, in den Raum, ins Dreidimensionale übertragen. Hierdurch verkörpern sie nicht nur ein dienendes Verhältnis des Modells zum Modellierten, sondern bezeugen vielmehr ein komplexes Geflecht von Effekten und Rückwirkungen auf Bild und Raum. Der Fokus der Modelle liegt dabei auf der Strukturbildung der Filmräume. Hierbei werden die für Adam typischen schwarzen und weißen Linien seiner Filzstift-Zeichnungen, die sich in Hell-Dunkel-Abstufungen abwechseln, in serielle Raumstrukturen und rhythmische Kompositionen aus Licht und Schatten übersetzt. Wie Adams Zeichnungen zeigen auch sie einen ausgewählten Raumausschnitt aus einem bestimmten Blickwinkel und suggerieren dem Betrachter die Anwesenheit weiterer, verborgener Räume. Zum Gegenstand der Modellbildung wird auch das Prinzip der Bewegung, dem Adams Zeichnungen und Filmräume stark verpflichtet sind. Jenseits der Aufgabe bloßer Repräsentation sollen die Modelle somit helfen, Adams komplexe Tätigkeit der Raumbildung zu erschließen und in anschaulicher Weise zugänglich zu machen.

Bigger Than Life?

Dass es unverzeihlich ist, dass ich es nach drei Monaten immer noch nicht in die Deutsche Kinemathek geschafft habe, um mir die Ausstellung persönlich anzuschauen, steht auf einem anderen Blatt. Aber so lange dies noch nicht geschehen ist, möchte ich mich auch noch nicht zur Gestaltung ebendieser äußern. Ich möchte lieber im umfangreichen Katalog blättern, die Illusion von der perfekten Ausstellung bewahren und davon träumen, dass mir Ken Adam doch noch einmal begegnen wird, um PLOT zu helfen, die angemessene Kulisse für die Weltherrschaft zu konzeptionieren, mir meine unzähligen Fragen persönlich zu beantworten oder mir doch einfach nur meine Eintrittskarte zu signieren … Träumen darf man ja wohl noch …

* Textauszüge Deutsche Kinemathek
** Textauszüge oza

FACTS

Projekt:

Bigger than Life. Ken Adam´s Film Design

Ausstellungsarchitektur:

Franke | Steinert, Berlin > www.franke-steinert.de

Gestaltung:

Konzeption und Entwurf der Modelle: oza_studio for architecture and scenography, Berlin> www.oza-berlin.com

Projektteam:

Carolin Höfler, Matthias Karch

Standort:

Stiftung Deutsche Kinemathek, Berlin > www.deutsche-kinemathek.de

Zeitrahmen:

11.12.2014 – 17.05.2015

Fotos:

1 – Ken Adam, Berlin 2014; Medieninstallation „Lines in Flow” von Boris Hars-Tschachotin, © Andreas-Michael Velten
2 bis 6 – Quelle: Deutsche Kinemathek – Ken Adam Archiv
2 – Entwurf „Launch Complex“ für MOONRAKER GB/F 1979, Regie: Lewis Gilbert © Sir Ken Adam
3 – Entwurf „Tiger Tanaka’s Office“ für YOU ONLY LIVE TWICE Lewis Gilbert, GB/USA 1967 © Sir Ken Adam
4 – Entwurf „Blofeld’s Volcano Lair“ YOU ONLY LIVE TWICE, GB/USA 1967, Regie: Lewis Gilbert © Sir Ken Adam
5 – Entwurf „Pyramid Control Room“ für MOONRAKER GB/F 1979, Regie: Lewis Gilbert © Sir Ken Adam
6 – Entwurf „Bank“ für PENNIES FROM HEAVEN USA 1981, Regie: Herbert Ross © Sir Ken Adam
7 bis 10 – Impressionen aus der Ausstellung „Bigger Than Life. Ken Adam’s Film Design“ © Marian Stefanowski, 2015
11 bis 19 – © Matthias Karch